Zudem dramatisiere die AfD die Ängste in der Gesellschaft, sie sei eine Partei, die "Ängste schürt, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt", sagte Dröge. Die Strategie der AfD sei, zu provozieren. Nur weil Schultner, Mitglied einer Freikirche, eine "Schwester im Glauben sei", rede er mit ihr. Zwar müssten Ängste ernst genommen werden, doch im Glauben gehe es darum, Hoffnung zu machen und nicht auch noch Angst zu predigen.
Schultner widersprach dieser Einschätzung: "Wir schüren keine Ängste." Die Leute hätten Ängste, zum Beispiel nach den Ereignissen auf der Kölner Domplatte zu Silvester 2015. Jeder Mensch habe nach dem christlichen Menschenbild zwar die gleiche Würde. Das bedeute aber nicht, dass jeder Mensch dieselben Rechte habe, sagte Schultner, die von einer "völlig unkontrollierten Massenzuwanderung" sprach.
„Konservative Christin“ in der AfD
Die Deutschen kümmerten sich zu sehr um die Probleme von Flüchtlingen, vernachlässigten aber zum Beispiel die christlichen Flüchtlinge, die in Asylunterkünften dranglasiert würden, sagte die AfD-Politikerin. Die Erwartung, dass Christen das Elend der Welt überwinden sollten, sei eine originär deutsche Auffassung. Kirchen in anderen europäischen Ländern sähen das anders. Generell sei die evangelische Kirche zu sehr politisch engagiert und sage nie etwas gegen linke Positionen, warf Schultner, die sich als konservative Christin bezeichnet, Dröge vor: "Das zeigt, es geht um einen Richtungskampf, nicht um Demokratie."
Im Ton und der Sache wesentlich schärfer hatte am Morgen die Reformationsbotschafterin Margot Käßmann in einer Bibelarbeit die AfD angegriffen. Die Forderung nach einer höheren Geburtenrate der "einheimischen" Bevölkerung entspreche dem "kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten", sagte Käßmann. "Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern: ‘Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht’", kritisierte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Die Diskussion zwischen Dröge und Schultner war auch innerhalb der evangelischen Kirche umstritten gewesen. Anders als der Katholikentag im vergangenen Jahr hatte der Kirchentag beschlossen, im Zeichen der Dialogbereitschaft grundsätzlich mit einzelnen Vertretern der AfD zu sprechen, sofern sie sich nicht rassistisch und menschenfeindlich geäußert hatten.
Mit Handzetteln "Da siehst du mich nicht" forderte die Initiative "Kein Publikum für die AfD" um den Bonner Pfarrer Siegfried Eckert und die Bonner Kunsthistorikerin Alexandra von dem Knesebeck vor der Kirchentür dazu auf, die Diskussion nicht zu besuchen. Und sie überreichten Kirchentags-Programmdirektor Mario Zeißig eine Online-Petition gegen den Auftritt, die rund 1.600 Menschen unterstützt hatten. (epd)Berlin. Sie war neben dem Obama-Auftritt die im Voraus meistdiskutierte Veranstaltung des Kirchentags: die Diskussion zwischen dem Berliner evangelischen Bischof Markus Dröge und der Sprecherin der Vereinigung "Christen in der AfD", Anette Schultner. Dröge hatte Positionen der AfD immer wieder scharf kritisiert, AfD-Vertreter hatten zuletzt beim Parteitag in Köln die Parteimitglieder zum Kirchenaustritt aufgefordert. In und außerhalb der Kirche war diskutiert worden, ob der Kirchentag eine Vertreterin der AfD zu Wort kommen lassen sollte.
Die rund 500 Zuhörer in und 150 vor der Sophienkirche in Berlin-Mitte erlebten eine in der Sache oft deutliche und in der Form ruhige Diskussion über Menschenwürde, Flüchtlinge und Familienbilder auf dem Podium, die indes immer wieder unterbrochen wurde durch wütende Zwischenrufe aus dem Publikum.
„AfD schürt Ängste“
Dröge hatte seine Zweifel gehabt und sich nur schwer zu dieser Diskussion durchgerungen. Er betonte: Die AfD achte die Würde der Menschen nicht. "Es steht kein christliches Menschenbild im Parteiprogramm der AfD", sagte er. Gerade Christen müssten "sehr empfindsam sein, wenn die Würde von Menschen nicht geachtet wird". In der Bibel gebe es eine lange Tradition, die Rechte von Fremden zu respektieren.