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Kanzler Scholz bei Maybrit Illner zur 1000. Talkshow-Ausgabe

Seit 25 Jahren besprechen Politiker, Fachleute und Medienschaffende am Tisch von Maybrit Illner das Weltgeschehen. Die Sendung hat ihre Form gefunden. Das passt zum Auftreten der zurückhaltenden Moderatorin.

Tausend Mal berührt, und tausend Mal ist nichts passiert? Kann man bei “maybrit illner” tatsächlich nicht sagen. Am Donnerstgag – und das klingt rekordverdächtig – wird die Journalistin ihre politische Talkshow zum tausendsten Mal im ZDF präsentieren und moderieren. Dem Jubiläum angemessen wird der Bundeskanzler alleiniger Gast sein. Die Eingangsfrage lautet: “Was kann Olaf Scholz noch erreichen?”

Könnte auch gespiegelt werden: Was kann Maybrit Illner noch erreichen? Gestartet ist sie mit ihrem Gesprächsformat am 14. Oktober 1999, damals unter dem Titel “Berlin Mitte”, seit 17 Jahren trägt die Sendung den Namen ihrer Moderatorin.

Die politische Talkshow ist in dem Vierteljahrhundert ihrer Existenz – was ja schon ungewöhlich genug ist – bei einer sehr reduzierten, konzentrierten Verfassung angekommen. Illner ist in der Mitte eines großen und sehr weißen Tisches platziert, links und rechts sitzen die Gäste. Sie sind quasi in Griffweite der Gastgeberin, ein Ausweichen, ein Auskommen im Für und Wider der Argumente soll schwer möglich sein.

Berlins Mitte trifft sich bei “maybrit illner”, sprich: die Bundespolitik ist mit den führenden Hauptstadtjournalisten sowie passgenauen Expertinnen und Experten zusammengespannt. Studiopublikum wird nicht mehr gebraucht in diesem eng gefassten Politzirkel, es reichen die durchschnittlich 2,5 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen.

Wenn es Donnerstag wird im ZDF, dann schließt an das “heute-journal” die Talkshow “maybrit illner” an. So viel Konstanz muss sein in einem linearen Programm, das sehr auf sein Schema setzt und die Überraschung so wenig liebt wie es das Publikum tut. Unterstützt von den handelsüblichen Ingredienzen – Einspielfilme, Grafiken, Zitate – fragt Illner die Runde im Warm-Up nacheinander ab, ehe aus dem Nacheinander das Mit-, wenn nicht gar das Gegeneinander wird.

Maybrit Illner hat die Zügel fest in der Hand, nur selten flattern die Augenlider. Das hat schon in der Themenauswahl, also beim allfälligen Thema der Woche wie auch bei der Gästeauswahl etwas Repetitives, in den tausend Ausgaben findet sich manche, die sich schlichtweg wie eine Wiederholung angesehen und angefühlt hat. Der Fortschritt ist auch beim (ZDF-)Polittalk eine Fernsehschnecke. Die Talkshow ist ein treuer Begleiter bundesdeutscher Politik. Und so wie der Mainzer Sender sein vor allem älteres Publikum nicht vor unwägbare Programmnachfragen stellen will, so wenig will Maybrit Illner als Göttin des Talkgemetzels reüssieren.

Aufklären, warum wessen Politik welche Ziele verfolgt, worum sich dabei der Parteienstreit dreht, ob sich Lösungen anbieten – die ZDF-Talkshow ist in diesen aufgeheizten, aufgehetzten Zeiten der Nachweis, dass eine Auseinandersetzung nicht zu einer Frage von Leben und Tod ausarten muss.

Der Erfolg dieser Talkshow, und nichts anderes sind 1000 Sendungen in 25 Jahren, ist in dieser zurückgenommenen Daseinsform zu suchen und zu finden – im Vorzug der Information vor dem Infotainment, im erklärten Common Sense von Sender, Redaktion und Moderatorin, dass verantwortungsorientierte Politik der Dreh- und Angelpunkt einer Gesellschaft sein muss, dass ein Gespräch mit Streit über Probleme immer noch besser ist als ein Beschweigen von Problemen ohne Streit.

Maybrit Illner hat das Format der politischen Talkshow weder geöffnet noch zu Tode geritten. Wesentlich ist ihr, dass das Format seinen Inhalten zu dienen hat und nicht die Inhalte dem Format. Damit ist in diesem selbstgefälligen Medium Fernsehen und beim Publikum schon sehr viel erreicht.

Die Talkshow “maybrit illner” trägt den Titel ihrer Moderatorin, nicht ungefährlich, weil hier überbordendes Star-Appeal auf- und ausgebaut werden könnte. Das ist dieser Journalistin Sache nicht. Maybrit Illner ist keine öffentliche Person, nachgerade zurückhaltend tritt sie auf. In der aufgeflammten West-Ost- und vor allem Ost-Ost-Diskussion könnte die ostdeutsche Journalistin ihre Stimme erheben, ihren Beitrag leisten. Was nicht passiert. “maybrit illner” taucht am Donnerstag um 22.15 Uhr auf und um 23.15 Uhr wieder ab. Dazwischen 60 Minuten intensives Gespräch um den besten Weg, den Politik gehen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.