An einem Freitag vor Weihnachten duftet es im Unterrichtsraum nach frischen Plätzchen. Im Alphabetisierungskurs beim Nürnberger Verein Internationales Frauen- und Mädchenzentrum (IFMZ) steht das Thema „Feste und Bräuche“ auf dem Lehrplan. Nun naschen die Frauen aus vielen Teilen der Welt von ihrem Backwerk und trinken selbst gemachten, alkoholfreien Früchtepunsch. „Manche Frau hat zum ersten Mal zu Weihnachten gebacken“, berichtet Sozialwirtin Daniela Schuldes vom IFMZ.
Die geflüchteten Frauen aus Afrika oder dem Mittleren Osten erzählen mit ihren ersten Deutschkenntnissen im Kurs, wie sie in ihrer Heimat ihre religiösen Feste begehen. Lili beispielsweise ist bereits seit vier Jahren mit einer kleinen Tochter in Deutschland. Das Weihnachtsfest ist ihr als Griechisch-Orthodoxe aus Serbien im Prinzip vertraut. Doch sie feiert Weihnachten traditionell am 7. Januar. „Vorher wird zwei Wochen lang gefastet“, erzählt sie. „In dieser Zeit verzichten wir auf Butter, Eier, Hähnchen und Alkohol.“
Die muslimische Mariam feierte im Iran mit ihren drei Kindern das altpersische Neujahrsfest Nouruz im März. Dann gibt es traditionell viel süßes Gebäck, gefärbte Eier und „13 Tage Urlaub“, sagt sie. Seit zwei Jahren lebt die Fachlehrerin in Deutschland, hat aber nun im IFMZ zum ersten Mal Plätzchen mit bunten Streuseln gebacken. „Jetzt feiern wir hier Weihnachten mit.“ Neu in Nürnberg war für sie und ihre Kinder: „Es gibt im Iran zu Nouruz keine Geschenke, keine Spielsachen. Wir schenken nur Geld.“
Für Juliana wiederum ist das Weihnachtsfest eine vertraute Angelegenheit. Die Christin aus Westafrika gehört einer presbyterianischen Glaubensrichtung an. „Wir feiern auch in Deutschland Weihnachten, obwohl es hier immer kalt ist“, sagt sie. In ihrer Heimat werde mit viel Essen im Freien gefeiert.
Emtithal aus Syrien ist vor drei Jahren in Nürnberg angekommen und begeht nach wie vor den Ramadan und feiert das Zuckerfest. Die weihnachtlichen Bräuche sind ihrer Familie vertraut, denn in der Schule backen ihre Kinder Kekse. Ein Nachbar bringt zum Fest kleine Geschenke für ihre vier Kinder.
So unterschiedlich die Frauen im Kurs sind, sie hören einander zu und respektieren die Unterschiede, die gerade zum Weihnachtsfest deutlich werden. „Die Frauen lernen nicht nur bei uns, sondern auch viel voneinander“, hebt Schuldes hervor. Manche hätten nach schrecklichen Gewalterfahrungen ihre Heimat verlassen. Aber unabhängig von den Vorerfahrungen will das IFMZ „allen Frauen einen Schutzraum bieten und sie für den Alltag stärken“.
Allerdings muss Schuldes befürchten, dass sie die bisherigen Kurse nur noch finanzieren kann, wenn Spenden hereinkommen. Die Förderung spezieller Frauenkurse aus Mitteln des Bundesamts für Asyl und Flüchtlinge (BAMF) falle im Jahr 2025 weg, erklärt sie. Mit diesem Geld habe das IMFZ aber einen Großteil seiner Arbeit finanziert.
Neben Alphabetisierungskursen steht dort auch der Umgang mit dem Computer auf dem Plan. Oder es gibt Tipps, wie eine überzeugende Bewerbung geschrieben wird. In der Beratung erklären die Mitarbeitenden das deutsche Schulsystem oder helfen bei Anträgen an Behörden. Aber auch mit verschiedenen Freizeitangeboten sollen die Frauen und ihre Kinder beim sozialen und emotionalen Ankommen unterstützt werden. „Wir wünschen uns für unsere Kursangebote mehr Planbarkeit“, sagt die Sozialwirtin.
Der Verein stemmt sein Angebot mit sechs Mitarbeitern plus Honorarkräften. Er ging 1979 zunächst als befristetes Modellprojekt „Frühkindliche Sozialisationsbedingungen ausländischer Kleinkinder“ an den Start. Nach drei Jahren wurde hieraus der Verein, zunächst als „Mutter-Kind-Stube“, seit 1996 als IFMZ. (00/4005/22.12.2024)