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Initiativen warnen vor “Eskalationsstufe” im Umgang mit Kirchenasyl

Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) warnen nach der versuchten Räumung eines Kirchenasyls in Schwerin vor einer „neuen Eskalationsstufe“ im Umgang mit Schutzsuchenden. Der Bruch des Kirchenasyls durch die Ausländerbehörde setze „das Kirchenasyl bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen unter Druck“, teilten das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche NRW und Abschiebungsreporting NRW in Köln mit.

Das Vorgehen der Beamten in Schwerin zeige, „dass es behördlicherseits eine ausdrückliche Bereitschaft gibt, mit aller Gewalt gegen Geflüchtete vorzugehen und ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel zu setzen“, sagte der Theologe und Mitarbeiter des Ökumenischen Netzwerkes Asyl in der Kirche NRW, Benedikt Kern. „Ein solch rücksichtsloses und brachiales Vorgehen ist das Pendant zur zunehmenden Brutalisierung an den EU-Außengrenzen“, kritisierte er scharf. „Gegen diese Entwicklungen müssen auch die Kirchen deutliche Worte des Protests finden.“

Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW des Komitees für Grundrechte und Demokratie sagte, der Fall mache „fassungslos“. In Schwerin handele es sich um eine Familie, die wegen der Verfolgung in Afghanistan bereits eine Aufnahmezusage der Bundesregierung erhalten hatte.

Er sieht in der versuchten Räumung des Kirchenasyls „auch eine Bedrohung für Kirchenasyle in Nordrhein-Westfalen“. „Geflüchtete, Unterstützerinnen, Unterstützer und Kirchengemeinden werden hierdurch verunsichert und Ausländerbehörden könnten sich bestärkt fühlen, repressiv gegen das Kirchenasyl vorzugehen“, erklärte er.

Die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern hatte wegen eines Amtshilfegesuchs der Kieler Ausländerbehörde am Mittwoch (20. Dezember) ein Kirchenasyl in der evangelischen Petrusgemeinde in der Landeshauptstadt Schwerin gebrochen, um zwei erwachsene Söhne einer sechsköpfigen afghanischen Familie nach Spanien abzuschieben. Die Abschiebung scheiterte, weil sowohl die Mutter als auch einer der Söhne sich in einem psychischen Ausnahmezustand befanden. Bis auf die Mutter, die sich noch in einer Klinik befindet, hält sich die Familie weiter im Kirchenasyl auf.

Nach Angaben der Flüchtlingsbeauftragten der evangelischen Nordkirche, Dietlind Jochims, handelt es sich bei der Mutter um eine bekannte Frauenrechtlerin und Journalistin, die in ihrer Heimat nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 bedroht worden war. Über das Aufnahmeprogramm für Afghanistan des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes war der Familie zunächst eine Aufnahme in Deutschland zugesichert worden. Die Visumserteilung verzögerte sich laut Jochims aber massiv.