Geschätzt jeder 25. Erdenbürger ist mit Malaria infiziert. Immer noch sterben daran jedes Jahr rund 600.000 Menschen, fast immer Kleinkinder – obwohl es gute Medizin gibt. Diese Tatsachen beschäftigen Professor Klaus Ersfeld von der Universität Bayreuth, wo er zu Molekularer Parasitologie forscht. Zum Welt-Malaria-Tag am Freitag (25. April) erklärt er dem Evangelischen Pressedienst (epd), woran die Ausrottung der Tropenkrankheit scheitert.
epd: Herr Ersfeld, laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankten 2023 weltweit mehr als 260 Millionen Menschen an Malaria. Welche Länder sind am schlimmsten betroffen?
Klaus Ersfeld: Das sind nur die Fälle, bei denen die Krankheit diagnostiziert wurde. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch viel höher. Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, wo Malaria beheimatet ist: in tropischen Zonen im südlichen Afrika, in Südamerika und Südostasien. Dabei greifen die Maßnahmen gegen Malaria überall gut – außer in Afrika.
epd: Das heißt, fast nur in Ländern wie Kongo, Nigeria oder Tansania sterben Menschen an Malaria?
Ersfeld: 95 Prozent der Todesfälle ereignen sich in Afrika. Es trifft hauptsächlich Kinder bis fünf Jahre, weil ihr Immunsystem noch keine Toleranz gegenüber dem Erreger entwickelt hat. Erwachsene sterben kaum daran. In Afrika liegt es in erster Linie an den sozioökonomischen Bedingungen. Die Gesundheitssysteme funktionieren nicht gut genug, um die Menschen ausreichend medizinisch zu versorgen. Und wenn es Medikamente gibt, können sich viele diese nicht leisten. Manche kaufen gefälschte Pillen am Schwarzmarkt, die nicht wirken. Und viele können nicht mal vorbeugend Netze für die Kinderbetten kaufen, obwohl diese sehr wirksam sind, denn die Moskitos stechen spätabends und frühmorgens.
epd: Es gibt laut WHO zwei Impfstoffe gegen Malaria – wie wird Afrika damit versorgt?
Ersfeld: Die Impfstoffe bekommen in Afrika die Kinder. Noch werden sie kostenfrei bereitgestellt durch die WHO und die Gates Foundation. Wenn das mal wegbricht, ist unklar, wer sich die Impfung dann noch leisten kann. Eine komplette Immunisierung mit vier Vakzin-Gaben kostet 20 bis 30 US-Dollar, das ist für viele Menschen sehr viel Geld. Noch dazu ist die Wirksamkeit der Impfung nicht sehr hoch.
epd: Warum nicht?
Ersfeld: Lediglich 15 bis 35 Prozent der Geimpften erkranken nicht an Malaria. Das Protein im Impfstoff wurde ursprünglich aus einem Malariastamm aus Ostafrika abgeleitet. Je weiter die Parasiten genetisch davon entfernt sind, umso weniger wirksam ist die Impfung. Außerdem stimuliert sie das Immunsystem nicht immer so gut wie erhofft. Aber auf die breite Masse gerechnet reduziert das Impfen die Zahl der Todesfälle doch erheblich.
epd: Bei Corona haben wir erlebt, wie schnell ein Impfstoff entwickelt und verteilt werden konnte. Was ist da bei Malaria vorstellbar?
Ersfeld: Die Technologie der Corona-Impfung ist noch neu. An Malaria-Vakzinen wird seit 30 Jahren entwickelt. Die Schwierigkeit ist, dass die Immunantwort auf den Erreger sehr schwach ist und es einen sehr komplexen Impfstoff braucht. Viren wie Corona sind viel einfacher aufgebaut als der Malaria-Parasit: Dieser hat gelernt, sich dem Immunsystem zu entziehen. Und es gibt verschiedene Malariatypen und Parasitenarten.
epd: Woran scheitert eine flächendeckende Impfung für Kinder – am Bewusstsein, an der Produktion, an der Finanzierung?
Ersfeld: Das Bewusstsein bei den Menschen für den Sinn der Impfung ist da. Auch Impfstoff kann genug produziert werden. Aber in die Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu investieren, hat politisch und wirtschaftlich keine hohe Priorität. Die Pharmaindustrie hat wenig Interesse, weil sie ihre Produkte in Afrika schlecht verkaufen kann. Der Fokus liegt klar auf Krankheiten, die bislang hauptsächlich reichere Regionen betreffen, wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Dass überhaupt Malaria-Tabletten entwickelt wurden, ist auch eine Folge von Kriegen, etwa in Vietnam – die Regierungen wollten ihre Soldaten kurieren.
epd: Wird der Ausstieg der USA aus der WHO die Situation noch verschärfen?
Ersfeld: Dadurch gerät die WHO stark unter Druck. Womöglich fällt ein Drittel ihres Budgets weg. Die WHO ist führend bei der Entwicklung der Impfung, ergänzt durch die Gates-Stiftung. Wenn sie nicht mehr genug Geld hat, wird das ein Riesenproblem.
epd: Besteht trotzdem Hoffnung, die Krankheit irgendwann auszurotten?
Ersfeld: Das Eliminieren ist in Zeiträumen von 30 bis 40 Jahren zu denken. Dazu muss man auf allen Ebenen Maßnahmen ergreifen. Medikamente, Netze und Antimückensprays müssen von außen zur Verfügung gestellt und die Infrastruktur muss verbessert werden. In einigen ländlichen Gebieten braucht man zwei Tage bis zum nächsten Krankenhaus. In Europa hat man es im 20. Jahrhundert geschafft, die Malaria loszuwerden. In Italien gab es Sümpfe, da fühlten sich die Mücken auch wohl. Das biologische Potenzial wäre da, dass die Malaria zurückkommt, aber wegen der guten sozioökonomischen Bedingungen ist es unwahrscheinlich.
epd: Sollten sich Erwachsene impfen lassen, wenn sie in Malariagebiete reisen?