Weltweit sind im vergangenen Jahr etwa zwölf Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet worden. Das geht aus einer am Dienstag zum Welt-Mädchentag (11. Oktober) veröffentlichten Studie von Plan International Deutschland hervor. Gemessen an der Bevölkerungszahl, würden besonders viele Mädchen unter 18 Jahren in Ländern südlich der Sahara verheiratet, sagt Kathrin Hartkopf, Sprecherin der Geschäftsführung der Hilfsorganisation, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). „In West- und Zentralafrika sind es im Schnitt 33 Prozent, im östlichen und südlichen Afrika 32 Prozent.“ In Niger bekomme jede Frau im Schnitt sieben Kinder.
Ein positiveres Beispiel sei hingegen Ruanda. Das Land verfüge über ein sehr gutes Gesundheitssystem und sei in mancherlei Hinsicht ein Vorbild für Gleichberechtigung. „61 Prozent der ruandischen Frauen verwenden moderne Verhütungsmittel“, sagt Hartkopf. Deutlich verbessert habe sich auch die Situation im südlichen Asien. „In Indien und Bangladesch sank die Zahl der Frühverheiratungen dank Aufklärung und Präventionsarbeit in den letzten zehn Jahren um etwa 20 Prozent.“
Hartkopf hält es für wichtig, dass junge Menschen aktiv beim Thema sexuelle und reproduktive Rechte mitreden dürfen – vor allem Mädchen und junge Frauen, denn um sie gehe es. „Sie müssen die Chance haben, eigene Entscheidungen zu treffen, wenn es um Heirat, Verhütung und Schwangerschaft geht. Deshalb fordern wir, dass die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik bei allen Strategien und Maßnahmen zur Stärkung dieses Bereichs den Fokus auf Mädchen und junge Frauen legt.“ Außerdem bräuchten sie unbedingt Zugang zu Bildung und guter Aufklärung. „Nur so kann irgendwann Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden.“
Die Gleichstellung der Geschlechter ist eines der bis 2030 zu erreichenden Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Laut Plan International Deutschland ist das Ziel erst zu 15 Prozent erreicht. Werden nicht deutlich mehr Mittel und Anstrengungen aufgebracht, drohe es klar zu scheitern, mahnen die Kinderrechtler. Sollte die jetzige Entwicklung anhalten, werde es jüngsten UN-Schätzungen zufolge noch 300 Jahre dauern, bis Frühverheiratung abgeschafft ist. Bis 2030 drohe dann 100 Millionen Mädchen Zwangsheirat, heißt es von Plan International Deutschland.
In Deutschland ist Zwangsheirat verboten. Seit 2017 könnten Richter hierzulande im Ausland geschlossene Ehen aufheben, wenn die Eheleute erst 16 oder 17 Jahre alt sind, berichtet Hartkopf. „Wenn einer der beiden Menschen unter 16 Jahre alt ist, dann gilt die Ehe in Deutschland als pauschal ungültig. So, als wäre sie nie geschlossen worden.“ Es würden aber kaum Ehen annulliert. „Das Gesetz muss laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis 2024 noch mal nachgebessert werden, weil durch die Pauschalität minderjährige Mädchen ihren Unterhalt verlieren könnten, nicht klar ist, ob eine solche Ehe mit Erreichen der Volljährigkeit gültig wäre oder was in diesem Fall mit möglichen Kindern des Paares geschieht“, sagt Hartkopf.