Auch in Deutschland war die US-amerikanische TV-Serie „Die Waltons“ sehr beliebt. In jeder Episode löst die Großfamilie aus den 30er-Jahren alltägliche Probleme. Legendär der Abspann: Am Ende wünschen sich alle stets eine gute Nacht.
„The Waltons“ – eine familienorientierte US-Fernsehserie seinerzeit mit Top-Einschaltquoten – wird fünfzig Jahre alt. Amerika habe die Großfamilie Walton als Balsam für Zerwürfnisse über Bürgerrechte, die rebellierende Jugend und den Vietnamkrieg gebraucht, heißt es häufig über das Programm aus den 70er-Jahren: „The Waltons“ war sentimental, streckenweise kitschig, doch bei genauem Hinsehen vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheint.
Eine Serie mit 221 Episoden
Es war Herbst 1972. In Vietnam kämpften und starben die letzten Soldaten. Präsident Richard Nixon stand trotz aufgebrachter Proteste kurz vor der Wiederwahl. Zugleich brodelte der Watergate-Skandal, der den republikanischen Politiker zu Fall bringen würde.
Mit „The Waltons“ startete der Fernsehsender CBS am 14. September 1972 eine Familienserie aus der verlorenen Welt der 30er- und 40er-Jahre. 221 Episoden liefen von 1972 bis 1981. Ort der Handlung waren die Blue Ridge Berge im Süden des Bundesstaates Virginia, gerne verspottet als Hinterwäldler-Territorium. Ab 1975 fanden die Waltons mit ihren sieben Kindern beim ZDF ein Publikum.
Die Serie begleitete die imaginären Waltons von 1933 bis 1946. Die Familie ist arm, doch glücklich, anständig, bescheiden und zufrieden. Die Wirtschaftskrise hatte Amerika Anfang der 30er-Jahre gepackt. Die Waltons, das sind das gutherzige Familienoberhaupt John Walton und seine rechtschaffene Ehefrau Olivia Walton, bei der definitiv kein Alkohol ins Haus kommt.
Gemeinsam im Bett – trotz Bildschirmmoral
Dazu kommen Großvater Zebulon Walton und Oma Esther Walton. Der älteste Sohn John-Boy Walton und die Geschwister Jason, Mary-Ellen, Benjamin, Erin, Jim-Bob und Elizabeth. Die Ehe ist liebevoll. John und Olivia schlafen gemeinsam im Ehebett, ungewöhnlich für die Bildschirmmoral der Zeit, sagte Olivia-Darstellerin Michael Learned im Interview für das Archive of American Television.
Die Waltons erleben große und alltägliche Probleme. Ihr Sägewerk und die Landwirtschaft können die Familie anfangs kaum ernähren. In einer Episode klagt John-Boy, es gebe immer wieder gebratene Apfelscheiben und Mais-Suppe. Elizabeth erleidet einen schweren Unfall, John-Boy sehnt sich nach einer Karriere als Schriftsteller. Grandpa stirbt. Oma Esther hat einen Schlaganfall. Vater John nimmt einen Job in einer Fabrik an, gibt den aber auf, weil er die Familie vermisst. Die Serie habe eine „entwaffnende Einfachheit“, die nie ins Unbedarfte abrutsche, kommentierte die „New York Times“ 1972.
Eines war garantiert bei den Waltons: Probleme lösen sich am Ende jeder Episode auf. Der Zuschauer sieht das Haus der Waltons, die Lichter gehen aus, Geschwister und Eltern wünschen einander Gute Nacht. Gute Nacht, John-Boy. Gute Nacht, Ma. Gute Nacht, Mary Ellen – und so weiter: „Gute Nacht, allesamt.“ Zu jeder Episode gehört eine aus dem Off mit der warmen Stimme des Serien-Kreators Earl Hamner gesprochene moralische Bewertung der Ereignisse.
Politik ist kein Thema. Der Weltkrieg verändert das Leben, die Söhne rücken ein. Doch unpolitisch sind die Filme nicht. Im Wohnzimmer hängt das Foto des demokratischen Präsidenten Franklin Roosevelt. Als dieser am 12. April 1945 stirbt, versammeln sich die Waltons an einem Bahnhof. Mit vielen anderen wollten sie die Fahrt des Trauerzuges mit dem Leichnam in die Hauptstadt Washington bezeugen.
Hamner aus dem Off: Menschen seien zu den Bahngleisen gekommen, „um sich an diesen Mann zu erinnern, der die Nation aus ihrer schwersten Wirtschaftskrise geführt hat und zum Sieg in ihrem größten Krieg“. Der Zug habe „Saaten der Brüderlichkeit gesät“.
Die Waltons leben in einer Region, die man heute Bibelgürtel nennt. Der Sonntagsgottesdienst und Revivals mit „Feuer und Schwefel“-Predigern sind ein Muss. Die TV-Serie vermeidet stereotype Plattheiten. Nach einem solchen Revival lassen sie die Walton-Kinder Ben und Mary Ellen taufen. Vater John kommt nicht: „Vielleicht bin ich kein religiöser Mensch, ich habe immer auf meine eigene Art auf Gott geblickt.“ Es bringe nichts, untergetaucht zu werden und sich von einem Prediger anschreien zu lassen.
Zum 40. Jahrestag 2012 hatte der 2016 verstorbene Earl Hamner in der „Los Angeles Times“ gesagt, die Serie sei zur richtigen Zeit gekommen. Wegen der Ungewissheit der Ära hatten sich die Zuschauer „Stabilität und Gemeinsamkeit“ gewünscht. Sie wollten Menschen sehen, die sich um ein „anständiges Leben“ bemühten. Hamner wuchs selbst in einer großen Familie in dem Dorf Schuyler in den Blue Ridge Bergen auf, seinem Modell für die Waltons.
Besser die Waltons als die Simpsons
Die Sehnsucht nach der heilen Welt dauerte offenbar an. Ex-Präsident George H.W. Bush sagte 1992, die USA brauchten Familien wie die Waltons und nicht Familien wie die Simpsons. Die Zeichentrickfilmserie um das Duff-Bier trinkende Familienoberhaupt Homer Simpson bevölkerte zwanzig Jahre nach den Waltons die Bildschirme.