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Gremium will Abtreibung liberalisieren – Minister zurückhaltend

Eine Kommission empfiehlt eine Liberalisierung der Abtreibungsregeln. Auch die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft und die Eizellspende sollen erlaubt werden. Bundesminister wollen keine Schnellschüsse.

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission empfiehlt, Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu erlauben. Dass Abtreibungen als grundsätzlich rechtswidrig betrachtet würden, sei zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft nicht mehr haltbar, erklärte die Juristin Liane Wörner, die die entsprechende Arbeitsgruppe innerhalb der Kommission leitete, bei der Vorstellung der Empfehlungen am Montag in Berlin. Die aktuellen Regelungen im Strafgesetzbuch hielten einer “verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung” nicht Stand. Scharfe Kritik kam von den katholischen Bischöfen.

Eine Abtreibung ist derzeit in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird und die schwangere Frau sich zuvor beraten lässt. Zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Die Kommission unterteilt die Schwangerschaft in drei Phasen: Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten 12 Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. Es obliege dem Gesetzgeber, das mit einer Beratungspflicht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig.

Die Mitglieder der Kommission empfehlen dem Gesetzgeber zudem, die Eizellspende zuzulassen. Eine gesetzliche Grundlage müsse aber sicherstellen, dass der Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet würden, sagte die zuständige Sprecherin der Arbeitsgruppe, Claudia Wiesemann.

Beim Thema Leihmutterschaft tut sich die Kommission deutlich schwerer. Ein weiteres Verbot sei nachvollziehbar, sagte die zuständige Sprecherin, die Mainzer Juristin Friederike Wapler. Eine Legalisierung sei aber unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Zentral wäre dann, dass eine Ausbeutung der Leihmutter rechtlich verhindert werde.

Die zuständigen Bundesminister, Karl Lauterbach (Gesundheit/SPD), Lisa Paus (Familie/Grüne) und Marco Buschmann (Justiz/FDP) betonten bei der Übergabe der Studie, die Regierung werde sich Zeit nehmen, den über 600 Seiten umfassenden Bericht zu prüfen. Eine Debatte über die Themen dürfe nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen.

Lauterbach erklärte, gerade beim Thema Abtreibung gebe es kaum neue wissenschaftliche Erkenntnisse, daher habe besonders die ethische Dimension eine große Bedeutung. Zugleich betonte er, dass es Handlungsbedarf bei der Versorgung mit Kliniken gebe, die eine Abtreibung durchführen könnten. Vor allem in Süddeutschland sei es für ungewollt Schwangere schwierig, in der vorgegebenen Zeit eine Praxis zu finden. Hier werde er sich zeitnah für eine Verbesserung einsetzen.

Kritik an den Empfehlungen kam von der Union, den katholischen Bischöfen und von kirchlichen Verbänden. Generell bemängelte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär (CSU) in RTL/ntv Frühstart, “die Kommission sei von der Ampelkoalition sehr einseitig besetzt worden”.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, kritisierte, die Kommission spreche dem ungeborenen Kind ein vollwertiges Lebensrecht und volle Menschenwürde ab. “Das halten wir für falsch.” Zudem habe die geltende Rechtslage die Gesellschaft befriedet. Der Limburger Bischof kritisierte auch eine Aufhebung des Verbots der Eizellspende sowie eine Zulassung der nicht-kommerziellen Leihmutterschaft. Die Praxis der Leihmutterschaft verletzte die Würde der Frau und des Kindes. Auch die Kommission selbst sehe das hohe Risiko, dass Rechte der beteiligten Personen verletzt würden.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, betonte, den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zu legalisieren, würde das Ende eines klaren Lebensschutzkonzepts bedeuten. Menschliche Würde bestehe von Anfang an, so Stetter-Karp. Insgesamt sei sie “irritiert”, dass ohne Not an den Pfeilern des Paragrafen 218 gesägt werde. Ähnlich äußerten sich Caritas und der Verein Donum Vitae.

Dagegen begrüßte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Empfehlungen als “wichtigen Meilenstein”. Eine Verortung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts sowie die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Beratung würden endlich die Stigmatisierung beenden, der ungewollt Schwangere bisher ausgesetzt seien. Die Bundesregierung müsse nun die Empfehlungen schnellstmöglich umzusetzen.