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„Gleichgültigkeit tötet nicht weniger“

Vertreter der Kirchen bitten in einer Andacht um Frieden in der Ukraine

Von Walter Plümpe

Eine bedrückende Stimmung lag über der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin-Charlottenburg beim ökumenischen Gebet für den Frieden in der Ukraine am vergangenen Samstag. Als hätten es die Teilnehmer geahnt: Nur kurz nach dem Schluss-Segen forderte das Auswärtige Amt deutsche Staats­bürger auf, die Ukraine zu verlassen.

Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Selig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden ­Kinder Gottes genannt werden“. ­Dieser Zuspruch Jesu aus der ­Bergpredigt gelte in allen Krisen und Konflikten, sagte Monsignore ­Hansjörg Günther, Vorsitzender des ­Ökumenisches Rates Berlin Brandenburg, der zu dem Gottesdienst ein­geladen hatte.

Die Angst lähmt nicht

Unter den Besuchern waren auch Andrij Melnyk, seit 2014 Botschafter der Ukraine in ­Berlin, und Bischof Bohdan Dzyurakh aus München. Papst Franziskus hatte ihn vor einem Jahr zum Apostolischen Exarch für die ukrainischen griechisch-katho­lischen Christen in Deutschland und Skandinavien ernannt. Die Furcht vor einer Eskalation von Gewalt sei groß. „Jetzt spitzt sich die Lage dramatisch zu und wir befürchten das Schlimmste. Wir beten, dass Gott uns davor ­bewahrt“, sagte Bohdan Dzyurakh. Aber die Angst lähme sein Volk nicht. Er bat um Gebet und Solidarität mit der Ukraine. „Gleichgültigkeit tötet nicht weniger als konventionelle Waffen.“

Deeskalieren statt eskalieren sei geboten, Täter beim Namen zu ­nennen und Opfer zu schützen, sagte ­Bischof Christian Stäblein. „Wir hören nicht auf, Gott in den Ohren zu liegen. Wo für den Frieden ­ge­betet wird, wird auch für den ­Frieden gehandelt“, so Stäblein. Dabei erinnerte er an die mehr als 14000 Toten und 2 Millionen Flüchtlinge des ­Krieges. 

Erzbischof Heiner Koch sprach ein ökumenisches Friedensgebet. Seine Bitte: „Lass dein göttliches Licht in unserem Leben sichtbar sein.“ Die Einsicht, in jedem Leben göttliche Spuren zu erkennen, helfe den Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen. Das gesungene „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Kantor Benedikt Reifenbach bündelte die Sorgen aller um Frieden. 

Gerechten Frieden schaffen

In seiner Predigt betonte Monsignore Günther die Aufgabe der aktiven Friedensstifter. Es gehe nicht um ein Stillhalten um des Friedens ­willen, sondern um Heilsein im ­umfassenden Sinn, um das Ganzsein eines Einzelnen oder einer Gemeinschaft. Abgeleitet von einer weiterentwickelten biblischen Friedens­vision habe Politik die Aufgabe, alles zu tun, um die Rahmenbedingungen eines gerechten Friedens zu schützen. „Selig ist diese Welt, wenn der Gott des Friedens auf das hoffende Tun von Friedensstiftern trifft.“

Ukrainische Familienangehörige beklagten nach dem Gottesdienst, dass Aggressor und Opfer auf der ­gleichen Ebene betrachtet würden. Das schaffe nur noch größeres Leid und größeren Schaden. „Es geht nicht um einen internen Bürgerkrieg, sondern um eine Invasion von außen.“ Leider habe man im Westen fast acht Jahre gebraucht, um das zu begreifen. 

Berührt waren die Angehörigen von einem Zitat des katholischen Priesters und Friedenskämpfers Max Josef Metzger, der 1944 hingerichtet worden ist. Monsignore Günther hatte es an den Schluss seiner Predigt gestellt: „Kein Krieg kann einem Volk mehr Nutzen als Schaden bringen.“

Zum Nachsehen online unter www.youtube.com/watch?v=kHtbVJ4HXyU