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Gedenken an Synagogen-Anschlag – “Täter hat nichts erreicht”

Zu der Zeit, als vor fünf Jahren die ersten Schüsse fielen, läuten die Kirchenglocken in Halle. Damals wollte ein Rechtsextremist ein Blutbad anrichten. Der Bundespräsident und andere blicken zurück – und nach vorn.

Am fünften Jahrestag des rechtsextremen Terroranschlags auf die Synagoge in Halle haben Politiker und Religionsvertreter der Opfer gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte am Mittwoch laut Redemanuskript: “Der Täter von Halle wollte uns als Gesellschaft spalten. Er hat zwei Menschen kaltblütig ermordet. Er wollte jüdisches Leben auslöschen. Beides ist ihm nicht gelungen. Er hat nichts erreicht.” Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, forderte eine eindeutige Haltung der Politik “gegen Angriffe auf unsere Freiheit”.

Um 12.03 Uhr läuteten die Kirchenglocken in Halle zur Erinnerung an die ersten Schüsse des Täters auf die Synagoge. Nachmittags sollte die Jüdische Gemeinde der Stadt eine neue Thora-Rolle erhalten. Für den Abend war der Gedenkakt mit Steinmeier in der Ulrichskirche geplant.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein schwer bewaffneter Rechtsextremist versucht, in die Synagoge einzudringen, um ein Blutbad anzurichten. Zu der Zeit waren dort mehr als 50 Menschen zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versammelt. Nachdem er nicht in die Synagoge kam, tötete der 27-Jährige zwei Menschen außerhalb des Gebäudes und verletzte weitere. Das Oberlandesgericht Naumburg sprach den Täter des zweifachen Mordes, des versuchten Mordes in mehr als 60 Fällen und der Volksverhetzung schuldig. Es verurteilte ihn zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung.

Die Lehre aus dem Anschlag ist laut Steinmeier: “Das Risiko, zum Opfer menschenfeindlicher Gewalt zu werden, tragen nicht alle auf dieselbe Weise.” Dass der Staat den Anschlag auf Jüdinnen und Juden nicht habe verhindern können, bleibe eine dauerhafte Mahnung. Er sei froh, dass der Staat mit mehr Schutz reagiert habe. “Die Wahrheit ist aber auch, dass es nahezu täglich schwieriger wird, den Kampf gegen den Terror zu führen.” Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mahnte eine gemeinsame Verantwortung im Kampf gegen Judenhass und Extremismus an.

Ein Zentralratssprecher hatte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gesagt, dass der Einsatz jüdischer Gemeinden für ihre eigene Sicherheit hoch sei. Für viele Aspekte wie geeignetes Personal und bauliche Maßnahmen seien die Gemeinden selbst verantwortlich, der Zentralrat unterstütze sie.

Schuster schrieb in einem Gastbeitrag in der “Mitteldeutschen Zeitung”: “In Erinnerung an diesen Tag werden wir uns noch stärker als bisher einsetzen für den Respekt vor den verschiedenen Religionen, für den Respekt vor unterschiedlicher Herkunft. Aus Halle geht ein Zeichen der Menschenwürde ins Land.” Zugleich betont er, eine islamistische Bedrohung dürfe nicht rechtsextreme Positionen stärken.

Der katholische Bischof Gerhard Feige sagte der KNA, man solle sich mehr Wissen über das Judentum aneignen, Kontakte zu Gemeinden suchen und mit deren Mitgliedern ins Gespräch kommen: “Nur so können immer noch vorhandene Klischees und Vorurteile abgebaut werden und menschenfreundliche Beziehungen entstehen.” Der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer betonte, “jüdisches Leben hier braucht sichere Orte und die Synagoge ist ein Ort der Stärkung und des Trostes in diesen wahnsinnigen Zeiten”.

Das Trauma von Halle wirkt für Jüdinnen und Juden laut der Psychologin Marina Chernivsky weiter nach. “Die Anerkennung des geschehenen Unrechts ist für die Überlebenden eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Umgang mit Gewalt. Die Wahlergebnisse und die sich häufenden antisemitischen Übergriffe zeigen uns deutlich, dass die breite gesellschaftliche Aufarbeitung des Terroranschlags von Halle nicht eingetreten ist”, sagte die Geschäftsführerin der bundesweiten Antisemitismus-Beratungsstelle “Ofek” der KNA.