Vor 35 Jahren jubelten Menschen auf der Berliner Mauer: Die bis dahin kaum überwindbare Grenze war 1989 zusammengebrochen. In der Hauptstadt und anderswo wird am Wochenende an dieses historische Ereignis erinnert.
In Berlin und an anderen Orten in Deutschland ist an den Mauerfall vor 35 Jahren erinnert worden. Das zentrale Gedenken fand am Samstag an der Gedenkstätte Berliner Mauer in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier statt. In der Hauptstadt waren am Wochenende auch weitere Veranstaltungen geplant. In einer Videobotschaft bezeichnete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Fall der Mauer als “glücklichen Höhepunkt einer gesamteuropäischen Entwicklung”.
Am 9. November 1989 war die Berliner Mauer gefallen, deren Bau am 13. August 1961 begonnen und Berlin geteilt hatte. Offiziellen Angaben zufolge wurden an der Berliner Mauer bis 1989 mindestens 140 Menschen getötet, oder sie kamen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime in Berlin ums Leben.
Scholz meldete sich mit der Videobotschaft aus Budapest, wo er am Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft und der EU-Regierungschefs teilnahm. Die friedlichen Revolutionäre hätten “etwas ganz Großes” geschaffen, ein geeintes Europa, frei und demokratisch. Er betonte, dass gerade jetzt, wo die weltpolitische Lage herausfordernd sei, die Europäer zusammenhalten müssten. “Wenn wir also dieses Wochenende in Berlin und in ganz Deutschland den Mauerfall feiern, dann feiern wir auch den Beitrag unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn dazu.”
Scholz erinnerte daran, dass dem Fall der Mauer der Einsatz der Gewerkschaft Solidarnosc in Polen, Proteste in der Tschechoslowakei und den baltischen Staaten sowie das “paneuropäische Picknick” an der österreichisch-ungarischen Grenze vorausgegangen seien.
So nahmen an der zentralen Gedenkveranstaltung in Berlin auch Gäste aus anderen europäischen Staaten teil, darunter Jugendliche. In der Kapelle der Versöhnung am ehemaligen Mauerstreifen an der Bernauer Straße sprach auch der Solidarnosc-Mitbegründer Bogdan Borusewicz.
Mit Blick auf die Streiks in Polen in den 1980er Jahren betonte er: “Das war ein schwerer, harter Kampf.” Hinter dem Engagement so vieler Menschen habe eine ethische Motivation gesteckt. “Wir konnten nicht tatenlos zusehen, wie gelogen wurde.” Man habe die damaligen Machthaber nicht tolerieren können: “Wir wollten in einem solchen Staat nicht leben.”
Der Fall der Berliner Mauer sei die Vereinigung Europas gewesen, sagte Borusewicz, dessen Rede ins Deutsche übersetzt wurde. “Heute sind wir in einer Lage, dass wir aufs neue Antworten geben müssen.” So sei es etwa unmoralisch, wenn ein Größerer einen Schwächeren angreife. Frieden sei wichtig, aber zugleich sei auch die Verteidigung von Werten und der eigenen Existenz, der eigenen Staatlichkeit wichtig. Dies müsse unterstützt werden.
“Eine riesige Walze rollt auf uns zu”, warnte Borusewicz. Nicht nur auf die Ukraine, die sich schon darunter befinde, sondern insgesamt auf Europa. Es sei notwendig, sich im politischen Handeln auf ethische Grundsätze zu stützen, denn diese gäben die Antworten.
Steinmeier sprach nicht auf der Veranstaltung und hatte sich bereits am Donnerstag im Berliner Schloss Bellevue geäußert. So nannte er den Freiheitswillen der Ostdeutschen 1989 ein Vorbild für die Gegenwart. “Gerade jetzt gibt der Kampf um Freiheit und Demokratie, den die Menschen vor 35 Jahren in der damaligen DDR gekämpft haben, Orientierung in schwierigen Zeiten, in denen wir heute sind.” Ohne die Ostdeutschen wären die deutsche Teilung und die Teilung Europas nicht überwunden worden. Deutlich kritisierte er zugleich Tendenzen, das Leben in der DDR zu verklären oder zu beschönigen.