Der Hilfs-Experte Ralf Südhoff fordert Reformen von der EU beim humanitären Engagement. Die Zahl der Krisen steige, das Budget drohe zu schrumpfen. Europa sei zwar der größte Geber der Welt, die Hilfe aber unkoordiniert und deshalb ineffektiv, sagte der Direktor des Berliner Centre for Humanitarian Action dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am Montag und Dienstag findet in Brüssel der größte humanitäre Gipfel der Welt statt.
„In Sachen humanitäre Hilfe ist Europa der entscheidende Spieler weltweit. Nimmt man die EU, Großbritannien, Norwegen und die Schweiz zusammen, dann stellt Europa in den letzten Jahren über 43 Prozent des weltweiten Fundings bereit“, erläuterte Südhoff. Auf Platz zwei liegen demnach die USA. Doch die Finanzierungslücke wachse.
Die UN ermitteln jährlich den Bedarf der humanitären Hilfe. Dieser habe noch Anfang der 2000er Jahre bei zwei bis maximal drei Milliarden Dollar jährlich gelegen. „Heute stehen wir bei 45 bis 50 Milliarden US-Dollar, die man pro Jahr bräuchte, nur um die größte Not zu lindern“, erklärte Südhoff. Weltweit beliefen sich die bereitgestellten Hilfsgelder 2023 auf unter 23 Milliarden Dollar.
Deutschland sei nach 2015 von einem humanitären Zwerg zum Top-Geber geworden. Dies sei auch eine Reaktion auf die Zuwanderung syrischer Flüchtlinge gewesen. Aktuell belege Deutschland bei den staatlichen Spendern weltweit Platz zwei nach den USA. Seit dem russischen Krieg in der Ukraine kehre sich der Trend aber um: Ab 2022 habe Deutschland seine humanitäre Hilfe um rund ein Drittel gekürzt. Die Bundesregierung habe ein sehr enges Verständnis von internationalem Engagement entwickelt. „Die Priorität ist jetzt traditionelle Sicherheitspolitik“, kritisierte Südhoff.
Auch die Vorhersagen zu den USA als Geber seien bedrohlich. Es gebe Schätzungen, dass das humanitäre Budget der Amerikaner mit dem nächsten Haushalt um ein Drittel sinken könnte. Sollte Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt werden, gelte umso mehr „America first“, sagte Südhoff. Laut Prognosen könnten die Mittel in Zukunft dann nur noch für ein Viertel der Menschen in Not reichen.
Besonders vor diesem Hintergrund müsse die EU ihre humanitäre Hilfe reformieren. „Die EU ist ein sehr geachteter, weil großer, relevanter Geber, der sich finanziell wirklich beachtlich engagiert“, sagte der Experte, der lange beim Welternährungsprogramm gearbeitet hat. „Aber die EU-Staaten unterschätzen die Notwendigkeit, ihre Hilfe zu koordinieren. Dadurch gehen viel zu viele Ressourcen für tatsächliche Nothilfe verloren.“
Eigentlich vorhandener Einfluss werde nicht genutzt. Es brauche bessere Foren für Austausch und Strategie. Auch müssten lokale Akteure eine größere Rolle spielen. „Da machen viele internationale Hilfsorganisationen und auch manche deutsche Nichtregierungsorganisation ihre Hausaufgaben aber nicht“, sagte Südhoff.