EU-Beitrittskandidat Nordmazedonien steht vor einem Rechtsruck. Mitverantwortlich für den haushohen Sieg der Nationalisten ist die EU, sagt eine frühere deutsche Diplomatin und Balkan-Expertin.
Die ehemalige deutsche Botschafterin Gudrun Steinacker hat den Rechtsruck in Nordmazedonien nach den Wahlen diese Woche als “Ohrfeige für die EU” bezeichnet. “Die EU und auch Deutschland haben in diesem kleinen komplexen Land völlig versagt”, sagte Steinacker am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Während Fortschritte des EU-Beitrittskandidatenlandes ignoriert worden seien, hätten die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin bei weitreichender Korruption weggesehen, so die Diplomatin, die von 2011 bis 2014 Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Nordmazedonien war.
Das Westbalkan-Land steht vor einem Rechtsruck, nachdem die bisherige Oppositionspartei VMRO-DPMNE bei den Parlamentswahlen am Mittwoch 43 Prozent holte. Die regierenden Sozialdemokraten schafften es auf gerade einmal 15 Prozent. Auch bei den Präsidenten-Stichwahlen, die am selben Tag stattfanden, konnte sich die Kandidatin der VMRO-DPMNE durchsetzen; damit wird Gordana Siljanovska-Davkova die erste Präsidentin Nordmazedoniens.
Die Rückkehr der europaskeptischen Nationalisten an die Staats- und Regierungsspitze betrachtet Südosteuropa-Expertin Steinacker mit Sorge. Die VMRO-DPMNE sei “tief verstrickt in organisierte Kriminalität” und habe durch die Kontrolle der Justiz während ihrer Regierungsperiode bis 2017 eine Strafverfolgung verhindert. “Ich erwarte, dass die neue Regierung für die Hauptschuldigen eine Amnestie verkündet”, so die Diplomatin. Trotz nachgewiesener Straftaten habe die Europäische Volkspartei ihre verbündete Partei weiter unterstützt.
Grundlegendes Problem Nordmazedoniens ist laut Steinacker, dass die Regierenden der vergangenen Jahre “keine wirkliche Alternative” zu den Nationalisten boten. Auch unter sozialdemokratischer Regierung sei es zu Korruption gekommen. Steinacker ist Vizepräsidenten der deutschen Südosteuropagesellschaft und Programmdirektorin für den Westbalkan der Internationalen Diplomatenausbildung des Auswärtigen Amtes.