Bevor der Reisebus seine Fahrt fortsetzt, zieht sich André Kuper schnell ein neues Hemd über. Das Thermometer in Israel hat schon mittags die 30-Grad-Marke überschritten. Die nächste Station der Reisegruppe aus Nordrhein-Westfalen ist ein Krankenhaus im Norden Galiläas.
Sechs offizielle Termine hat der nordrhein-westfälische Landtagspräsident in Israel schon hinter sich. Dabei ist das Flugzeug aus Düsseldorf erst vor 24 Stunden in Tel Aviv gelandet. Aber das frische weiße Hemd muss sein. Zu den Gesprächspartnern auf dieser Reise gehörten bisher schon die deutsche Botschafterin, der Bürgermeister von Tel Aviv, der Leiter des Gewerkschaftsbundes oder die Unternehmerin Raya Strauss.
Ein frisches weißes Hemd – das muss schon sein
Bei ihr saß der Landtagspräsident gerade noch am großen Tisch im Wohnzimmer, gemeinsam mit der siebenköpfigen Delegation, die ihn vier Tage lang auf seiner Reise begleitet. Mit dabei Abraham Lehrer, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie Norbert Römer, Vorsitzender der Parlamentariergruppe Israel im Landtag und Mitglied der westfälischen Landessynode. Auch Irith Michselsohn aus Bielefeld begleitet den Präsidenten in ihrer Funktion als Generalsekretärin der Union Progressiver Juden in Deutschland.
Im Hause Strauss gab es indessen Kaffee, Obst und einen intensiven Austausch über die sozialen Projekte, denen sich Raya Strauss seit Jahren widmet. Ihre Eltern sind 1936 aus Deutschland emigriert und haben den größten Lebensmittelkonzern Israels aufgebaut. Sie selbst versucht seit Jahren erfolgreich, die Lebensqualität und ein friedliches Zusammenleben in Galiläa und im ganzen Land zu fördern.
Eine der Institutionen, die Raya Strauss unterstützt, ist das „Galilee Medial Center“. Eine Klinik mit beeindruckendem Leitbild. Hier finden Menschen auf höchstem medizinischen Niveau Hilfe – unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion. Und hier werden seit März 2013 auch Opfer des Kriegs in Syrien behandelt. Bisher waren es fast 3000 Patienten, die meisten schwerstverletzt und traumatisiert.
Der Landtagspräsident ist sichtlich beeindruckt von der Vision dieses großen Krankenhauses in Nahariya, der Partnerstadt Bielefelds. Bei einem Rundgang durch die Klinik zeigt der Direktor der Delegation einige Behandlungsräume, aber auch eine Rakete, die 2006 hier eingeschlagen ist. Auch das ist Alltag in Israel. Doch die Mitarbeitenden der Klinik setzen sich unermüdlich für Versöhnung und Verständigung ein. Und der Direktor, selbst arabischer Christ, geht als Vorbild voran. André Kuper ist es wichtig, diese Seite Israels zu entdecken und in der Heimat zu vermitteln. Das humanitäre und soziale Engagement Israels komme ihm in der deutschen Öffentlichkeit zu kurz, erklärt er den Mitreisenden. Der Mann hat eine Mission: „In diesem Jahr besteht der Staat Israel 70 Jahre, aber allzu oft ist das Bild dieses Landes geprägt durch Berichte über Konflikte und Gewalt.“ Daran möchte er etwas ändern.
Die Hoffnung: Barrieren abbauen. Auch durch Musik
und so ist die Klinik nicht die letzte Station dieses Tages. Über Mittag fährt die Delegation bis zur libanesischen Grenze, besucht einen Kibbuz und ein Musikzentrum. Hier werden begabte junge Menschen gefördert. Und zugleich hilft das gemeinsame Musizieren, Barrieren zwischen Juden und Arabern abzubauen. Die anschließende Weiterfahrt nach Jerusalem dauert mehr als zwei Stunden. Der Präsident verteilt Kekse an die Reisegruppe, und in der Ferne sind Zäune und Mauern zu sehen. Sie markieren die Grenze zu den palästinensischen Gebieten im Westjordanland. Morgen wird die Delegation auch diese Region besuchen.
Doch der dritte Reisetag beginnt zunächst damit, dass André Kuper am Rande von Jerusalem einen Baum pflanzt, „als Symbol der Freundschaft zwischen Israel und Nordrhein-Westfalen.“ Direkt im Anschluss geht es zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Hier legt Kuper, gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, einen Trauerkranz nieder und schreibt still einige Zeilen in das Gedenkbuch: „Erschüttert über das beispiellos Geschehene und doch erfüllt von der wunderbaren Chance zur deutsch-israelischen Freundschaft. Den Opfern der Shoa zum Gedächtnis. Uns Heutigen zur Mahnung und Verpflichtung. Unseren Kindern zur Freundschaft mit Israel!“
Es ist ruhig im Bus nach den bedrückenden Bildern in Yad Vashem. Kuper erklärt, dass ihm gerade wegen der deutschen Geschichte „Vertrauen und Verantwortung für den Staat Israel“ so wichtig sind. Dass israelkritische und antisemitische Stimmen in Deutschland immer lauter werden, ist für ihn Grund zu großer Besorgnis. Und dennoch muss er jetzt gedanklich umschalten, denn es geht in die palästinensischen Gebiete. Dort informiert er sich unter anderem über die Arbeit von „Lifegate“ nahe Bethlehem. Hier werden Kinder und Jugendliche mit Behinderungen im Westjordanland betreut. André Kuper und seine Mitreisenden blicken immer wieder ratlos auf die zerrissene politische Lage in dieser Region. Aber der Einsatz für Menschlichkeit und Frieden so vieler Menschen beeindruckt die Gruppe aus NRW.
Das Amt nutzen. Für die Hoffnung auf den Frieden
Vor dem Rückflug stehen drei weitere Termine und ein Besuch der Klagemauer an. Auch führt Kuper Gespräche mit einer Schülergruppe aus Bielefeld sowie deutschen Jugendlichen, die ihren Bundesfreiwilligendienst in Israel absolvieren. Zum Glück weht jetzt hier und da in Israel ein frischer Wind. Und für den Landtagspräsidenten hat sich eine Erkenntnis verfestigt: Er will sein Amt nutzen, um sich für Frieden in dieser zerrissenen Region einzusetzen und um Solidarität mit jüdischen Menschen in aller Welt zu werben. Kuper betont: „Dies war ganz sicher nicht mein letzter Israel-Besuch.“
– Der Autor Bernd Becker ist Verleger und Herausgeber von UK. Er war Mitglied der Delegation, die André Kuper, den Landtagspräsidenten von NRW, auf der Reise ins Heilige Land begleitet hat.