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Einmal Maria sein: Die Faszination des Krippenspiels

Das Krippenspiel im Weihnachtsgottesdienst hat Tradition – und prägt die jungen Darsteller oft fürs Leben. Die Theologin Margot Käßmann erinnert sich noch gut an das Weihnachtsspiel in der Herrenwaldkirche von Stadtallendorf in Hessen, in dem sie als Kind die Rolle des Engels übernahm. „Von der Kanzel durfte ich der Gemeinde ‘Friede auf Erden’ zurufen. Vielleicht wollte ich deshalb später auf die Kanzel und wurde so friedensbewegt?“, sagt die frühere hannoversche Landesbischöfin und lacht.

Ihr heutiger Lebensgefährte habe das Krippenspiel mit der Gruppe eingeübt, obwohl er katholisch war. „Und unser Freund Fehim durfte einen Hirten spielen, obwohl seine Familie aus der Türkei zugezogen war“, erinnert sich die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) konnte zwar nie mitspielen, saß aber als kleiner Junge in der Gemeinde. „Von meinem fünften Lebensjahr an ist meine Familie über Weihnachten und Neujahr immer nach Österreich in den Urlaub gefahren. Deswegen habe ich selbst nie in einem Krippenspiel mitgewirkt“, sagt der Katholik. „Aber wir haben es uns immer angesehen, denn in dem Ort in Tirol sind unsere Eltern mit uns jedes Weihnachten in den Kindergottesdienst gegangen, und auch dort wurde ein Krippenspiel aufgeführt.“

Seine Mecklenburger Amtskollegin Manuela Schwesig (SPD) hat ebenfalls weder Hirte, Maria noch Engel verkörpert. „Ich gehe aber jedes Jahr sehr gerne zum Weihnachtsgottesdienst mit Krippenspiel in den Schweriner Dom“, sagt die Protestantin, die sich 2010 taufen ließ.

Friederike Jaeger vom Gottesdienstinstitut der evangelischen Nordkirche ist auch Gemeindepastorin im mecklenburgischen Reinshagen. Hinter ihr liegen Zoom-Workshops über Krippenspiele für Wissbegierige aus Kirchengemeinden, vor ihr die eigene Aufführung ihrer Gemeinde an Heiligabend. „In einer vollen weihnachtlich geschmückten Kirche nimmt man beim Krippenspiel als Mitspielende ein bisschen am Himmel teil – am heiligen Spiel“, erklärt sie. Dazu komme das Lampenfieber, das sich mit der Vorfreude auf das Fest mischt. „Es ist aufregend, vor einer vollen Kirche zu stehen, wenn alle zuschauen“, sagt sie. „Sitzt der gelernte Text?“

Um den Text musste sie sich früher keine Sorgen machen. Sie wuchs mit einem Krippenspiel auf, das jedes Jahr wieder aufgeführt wurde. „Man hat sich hochgearbeitet“, sagt sie und lacht. Als Engel fingen die Kinder an und lauschten dabei den anderen. „Daher kannte man schon den Text.“ Das Ziel vieler Mädchen sei damals die Rolle der Maria gewesen.

Doch wer Rollen verteilt, ordnet häufig auch Geschlechter zu. 2023 wollte ein Berliner Kirchenprojekt das traditionelle Familienbild aus den Evangelien durchbrechen, aus Maria und Josef wurden zwei Frauen: „Josy und Mary“. Das queer-feministische Krippenspiel sorgte für Schlagzeilen. Dieses Jahr soll es ein queeres Krippenspiel in Köln geben.

Diskussionen um Rollen und Geschlecht sind Pastorin Jaeger in ihren Krippenspiel-Vorbereitungen bisher nicht untergekommen. Sie weiß jedoch, wie offen die Geschichte der Geburt Jesu für unterschiedlichste Menschen und Identitäten sein kann: Hirte oder Hirtin, Wirt oder Wirtin, Weise, Engel. „Es wird besetzt, so wie die Spielerinnen und Spieler eben da sind“, sagt sie und verweist auf einen gewissen Pragmatismus in vielen Gemeinden. „Wenn ein Junge fehlt, übernimmt halt ein Mädchen Josef.“