Köln (epd). In der Debatte um eine mögliche Umbenennung der Berliner und Kölner «Mohrenstraßen» beklagt die Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst das Ausbleiben einer ernsthaften und nachhaltigen Auseinandersetzung. «Die Debatte ist von sehr vielen Emotionen geprägt. Gerade bei weißen Menschen ist dabei oft eine Abwehrhaltung zu beobachten», sagte Bechhaus-Gerst dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag in Köln.
Grundsätzliche herrsche in der Bundesrepublik ein großes Unwissen zur Geschichte von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland und über die historische Mitverantwortung für den Sklavenhandel. «Über Deutschlands koloniale Vergangenheit wird nicht oder kaum in der Schule informiert», kritisierte Bechhaus-Gerst, die an der Universität Köln zur deutschen Kolonialgeschichte forscht.
«Warum ist so ein Begriff wie 'Mohr' rassistisch? Warum können sich Menschen von so einem Wort verletzt fühlen?» – Es gebe sehr viele Menschen in Deutschland, die sich mit solchen Fragen noch nie beschäftigt hätten, sagte Bechhaus-Gerst. «Da muss Wissen und Kenntnis vermittelt werden», forderte sie. «Ich hoffe sehr auf ein grundsätzliches Umdenken bei der Umbenennung von Straßennamen mit kolonialem Bezug.»
Bei der Wahl eines neuen Namens für die «Mohrenstraße» müsse jedoch der historische Kontext erhalten bleiben. «Ich würde niemals dafür plädieren, einen völlig beliebigen Namen zu wählen. In Berlin gebe es zum Beispiel den Vorschlag, die »Mohrenstraße« in »Amostraße« umzubenennen. Der Philosoph Anton Wilhelm Amo sei Anfang des 18. Jahrhunderts vom afrikanischen Kontinent nach Deutschland gebracht worden und habe hier studiert, sich habilitiert und gelehrt. »Man würde damit einen Mann ehren, der trotz rassistischer Anfeindungen seinen Weg gegangen ist«, sagte Bechhaus-Gerst. Amo ist der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Deutschland.
Bei der »Mohrenstraße« in Köln sei der Hintergrund ein anderer, hier beziehe sich das Wort »Mohr« auf einen Heiligen, der in Köln verehrt werde. »Warum nennen wir da nicht seinen Namen: Gregorius Maurus?«, sagte die Afrikanistin. So werde zwar der historische oder religiöse Kontext nicht getilgt, aber die Perspektive darauf würde verändert. »Und der rassistische Begriff des 'Mohrs' wäre nicht mehr im Umlauf.« Den Namen beizubehalten und die »Mohrenstraße« mit einer Informationstafel zu ergänzen, reiche nicht, sagte Bechhaus-Gerst. »Sprache bestimmt unser Denken, wer das M-Wort liest, hat stereotype Bilder im Kopf. Außerdem werden Info-Tafeln zu selten gelesen."