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Dialog gegen die Angst

Evangelische Kirche erörtert in einem neuen Positionspapier Wege zu einem gelingenden Zusammenleben

© epd-bild / Thomas Rohnke

FRANKFURT A. M. –  In Hannover und Bern gibt es bereits ein „Haus der Religionen“. Auch in Berlin ist ein „House of One“ geplant, das Christen, Juden und Muslimen als Begegnungsstätte dienen soll. In anderen Kommunen wie etwa Frankfurt und Köln haben sich Räte oder Runde Tische der Religionen etabliert, die Ausdruck der zunehmenden Präsenz fremder Religionen in der bisher überwiegend christlich geprägten Gesellschaft sind.

Grundrecht auf Religionsfreiheit

Mit diesem religiösen Pluralismus, der auch Ängste, Fremdheitsgefühle und Konflikte auslösen kann, setzt sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in einem neuen Grundlagentext auseinander, der in Berlin vorgestellt wurde. „Gegen solche Ängste helfen aber nur Aufklärung und Dialog, Eintreten für Minderheiten und Stärkung der demokratischen Kultur", empfiehlt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort der Schrift „Christlicher Glaube und religiöse Vielfalt in evangelischer Perspektive“. Ausdrücklich bekennt sich das Papier zum Grundrecht der Religionsfreiheit und lobt das „religionsfreundliche Modell“ des deutschen Verfassungsrechts, das öffentliches Wirken der Religionen ermöglicht.
Die EKD wirbt dafür, die Vielfalt der Religionskulturen als Chance zu sehen. „Ein positives Verständnis religiöser Vielfalt zielt letztlich auf eine Stärkung evangelischer Identität, die sich im Dialog und nicht in der Abkapselung entfaltet.“
Neben grundsätzlichen Erwägungen zu einer „Theologie der Religionen“ enthält der Text auch Hinweise zum Umgang mit Religionsverschiedenheit in Ehe und Familie, zum gemeinsamenBeten, zum Missionsauftrag sowie zur Arbeit der Diakonie. Im Zusammenleben mit anderen Religionen und Weltanschauungen seien Kirchen bei familiären Ereignissen wie Trauung oder Bestattung herausgefordert. Über kirchenrechtliche Regeln hinaus seien dafür seelsorgerliche Lösungen gefragt. Anders- und Nichtgläubige sollten nicht zur Anpassung genötigt werden, wird in dem Text empfohlen.
Bei der Ehe zwischen Partnern verschiedener Religionen seien interreligiöse Kompetenz und Begleitung gefragt. „Niemand kann heute für sich beanspruchen, über das Zusammensein mit anderen nach Taufbuch oder Religionszugehörigkeit definitiv zu entscheiden“, heißt es. Kirchliche Angebote für die Gesellschaft wie Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäuser und Altenpflege oder die Seelsorge an Soldaten richteten sich an alle, die auf christliche Nächstenliebe hoffen.
Für Schulgottesdienste oder öffentliche Buß- und Gebetsfeiern bedarf es aus Sicht der EKD Gestaltungskompetenz und Weisheit der für die Liturgie Verantwortlichen. Dabei dürften liturgische Formen weder vereinnahmen noch neutralisieren und “sich vor allem nicht in Plattitüden erschöpfen“.

„Religionssensibles Handeln“

„Niemand darf gezwungen oder übertölpelt werden“, argumentieren die Autoren mit Hinweis auf staatliches Recht und evangelisches Missionsverständnis: „Die Mission hat es nicht selbst in der Hand, ob ihre Verkündigung Frucht trägt und auf welchen Boden der Samen fällt.“ Wer zu einer Veranstaltung einer evangelischen Gemeinde kommt, in einer evangelischen Kindertagesstätte oder einem evangelischen Krankenhaus ist, sollte nicht fürchten müssen, dass er „um die eigene Religion gebracht wird“. Gefragt sei ein kultur- und religionssensibles Handeln. Denn christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit hätten auch Nichtchristen als Adressaten.

„Christlicher Glaube und religiöse Vielfalt in evangelischer Perspektive“. Gütersloher Verlagshaus, 80 Seiten, 4,99 Euro. Internet: http://www.ekd.de/download/christlicher_glaube.pdf.