Die Fragen stellte Amet BickPropst Schmidt, wie würden Sie derzeit die Situation der Christen im Heiligen Land beschreiben? In Palästina werden es immer weniger, je schlechter die politische und wirtschaftliche Situation wird. Die palästinensischen Christen haben oft Kontakte in alle Welt und wandern aus, sofern sie es können. Die Christen profitieren zudem von den Schulen, die etwa deutsche Protestanten gebaut haben. Denken Sie an Talitha Kumi, der Schule in Beit Jala, die vom Berliner Missionswerk getragen wird. Palästinensische Christen haben durchschnittlich einen höheren Bildungsstand und damit auch gute Chancen im Ausland. Das unterscheidet sie oft von ihren muslimischen Nachbarn.Und wie geht es den Christen in Israel? In Israel sind zwei Prozent der Bevölkerung Christen. Vier von fünf gehören zur arabischen Minderheit. Sie sind, was ihre wirtschaftliche Situation angeht, weit besser gestellt als ihre Glaubensgeschwister in Palästina. Es gibt auch Christen, die gemeinsam mit ihren jüdischen Familienangehörigen aus Russland eingewandert sind. Oder Christen unter den Arbeitsimmigranten, etwa die Philippinos, die katholisch sind. Auf etwa 60000 wird ihre Zahl geschätzt. Da sie andere Sprachen sprechen und eine andere Frömmigkeit pflegen, bleiben sie zumeist unter sich.Für die arabischen Christen, die in Israel leben und die israelische Staatsangehörigkeit haben, ist es vermutlich ein Spagat, einerseits loyal gegenüber Israel zu sein und sich anderseits den Arabern in Palästina verbunden zu fühlen. Wie beobachten Sie das?Als Bürger haben sie natürlich Rechte und Pflichten im Blick auf den israelischen Staat. Aber ihr kultureller Kontext und das Sozialgefüge sind arabisch. Sie identifizieren sich mit den Palästinensern. Von einigen israelischen Politikern wird jetzt der Versuch unternommen, einen Keil zwischen die Araber in Israel zu treiben. So hat kürzlich Yariv Levin, der Vorsitzende der Regierungskoalition im Parlament, gesagt, dass Christen natürliche Verbündete Israels und eine Gegenposition zu den Moslems darstellten. Er meinte sogar, man könne sie gar nicht als Araber bezeichnen. Es ist das Prinzip: teile und herrsche. (…)
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„Der Extremismus ist Teil der Gesellschaft“
Wolfgang Schmidt ist seit 2012 Propst in Jerusalem und damit Pfarrer an der Erlöserkirche und Repräsentant der EKD im Heiligen Land. Bei einem Besuch in Berlin sprach er mit Amet Bick über die Situation der Christen in Israel und Palästina, die Skepsis gegenüber den Friedensbemühungen und die Radikalisierung der Religionen.