Vielleicht wurde nie intensiver als heute über das Verhältnis der großen Religionen zueinander diskutiert. In vielen Krisenherden dieser Welt spielen auch religiöse Fragen eine Rolle.
Durch die Radikalisierung islamistischer Terrornetzwerke wie Boko Haram, al-Qaida oder IS gerät oft der Islam insgesamt in die Kritik. In Uganda kämpft die christliche „Widerstandsarmee des Herrn“ (LRS) für einen Gottesstaat. Und als Folge der kriegerischen Auseinandersetzung im Gaza-Streifen fühlen sich Juden zunehmend unsicher.
An vielen Orten in Deutschland bestehen gute Kontakte zwischen Kirchen, jüdischen Gemeinden und Moschee-Vereinen. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York nahmen interreligiöse Friedensgebete zu. Da wird nicht gemeinsam gebetet, aber unter einem Dach: Jede Religion betet auf ihre Weise. Die Teilnehmer lernen einander besser kennen und erfahren vom Glauben der anderen. Dies soll der Verständigung und dem Frieden dienen.
Dennoch wachsen die Spannungen. Menschen sind verunsichert durch das, was sie nicht kennen. Es wird diskutiert, ob der Islam zu Deutschland gehört. Bei den Pegida-Demonstrationen in Dresden und anderen Städten sind Tausende „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße gegangen.
Nun scheint dieser Konflikt auch in die evangelische Kirche zu schwappen. In Bremen etwa sorgte Ende Januar eine Predigt des Pfarrers Olaf Latzel für Aufsehen. Er sprach gegen die Vermischung der Religionen und betonte, als Christ müsse man sich von nicht-christlichen Bräuchen fernhalten. Aufgrund der teils beleidigenden Wortwahl erntete Latzel öffentliche Kritik. Aber es gab auch tausendfach Zuspruch.
Der evangelikalen Nachrichtenagentur „idea“ war diese Kontroverse rund zwei Dutzend Artikel wert. Besonders in den Kommentaren dazu zeigen sich viele radikale und fremdenfeindliche Aussagen von Menschen, die sich gleichzeitig als bibeltreue Christen bezeichnen. Der Konflikt weist weit über Bremen hinaus.
Den Pfarrerinnen und Pfarrern der Landeskirchen wird dabei oft unterstellt, sie predigten nicht mehr das Evangelium von Jesus Christus. Sie seien auf dem falschen Weg, wenn sie sich für Ökumene und interreligiösen Dialog einsetzten. Es gehe in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf vielen Kanzeln nur noch um Wischiwaschi und Multi-Kulti.
Diese Kritik bedarf dringend eines Abgleichs an der Realität: Man kann evangelischen Predigten manches vorwerfen – dass aber Jesus Christus nicht mehr gepredigt würde und dass die Religionen vermischt würden, das kommt wohl ganz selten vor.
Das Ganze wirkt wie ein Scheingefecht. Wer Nächstenliebe und Toleranz lebt und predigt, verleugnet dabei nicht automatisch seinen Glauben. Sich zum Christentum zu bekennen und trotzdem Andersgläubigen die Hände zu reichen, das ist durchaus möglich. Man muss es allerdings wollen. Beides.