Bochum – Wenn Menschen aus den USA, Russland, Uganda, der Türkei, Tansania, Südafrika, der Schweiz, dem Irak, England und Brasilien versuchen, den Bergmannsgruß „Glück auf“ akzentfrei auszusprechen, dann klingt das belustigend und amüsant. Es ist aber gleichzeitig ein starkes Zeichen für internationale Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus – so geschehen an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum.
„Strategien der Verständigung“
Im Rahmen eines viertägigen internationalen Forums diskutierten die Angehörigen der Hochschule und rund 70 Gäste der Partneruniversitäten unter dem Thema „Gelingendes Leben – aus der Sicht sozialer Berufe“ kulturvergleichend aktuelle Herausforderungen in der sozialen Arbeit. Insgesamt 280 Wissenschaftler und Studierende setzen sich unter anderem mit Inklusion, Geschlechterforschung, Kinderschutz, frühkindlicher Pädagogik, multikulturellen Gesellschaften und Religionspädagogik auseinander. Zusätzlich wurden internationale Praxisprojekte vorgestellt.
Wenn unterschiedliche Ansichten und Kulturen im interkulturellen Dialog aufeinandertreffen, sind Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert, ganz besonders bei heiklen Themen. Doch eben dies war der Grund, weshalb die Fachhochschule sich entschlossen hatte, das Forum zu initiieren, so Gerhard K. Schäfer, der Rektor der Evangelischen Fachhochschule. Auch die Flüchtlingsproblematik stelle die soziale Arbeit vor große Herausforderungen. „Mit unserer internationalen Arbeit wollen wir mit unseren Möglichkeiten dazu beitragen, dem gnadenlosen globalen Wettbewerb Strategien der Verständigung entgegenzusetzen“, erklärte Schäfer. Es gehe um gelingendes Leben, auch angesichts von Krankheit und Beeinträchtigung. Das Thema sei „zentral für die Frage der sozialen Arbeit. Außerdem wird es in verschiedenen Ländern unterschiedlich konnotiert, so dass wir interkulturell diskutieren können“.
Besagte Diskussionen ließen bei dem vielfältigen Angebot nicht lange auf sich warten. Grundlage für die thematischen Auseinandersetzungen war der Auftaktvortrag der Tübinger Philosophie-Professorin Cornelia Klinger, welche über „Die Frage nach dem gelingenden Leben zwischen Anspruch, Wunsch und Wirklichkeit“ referierte. Nachmittags und an den darauffolgenden Tagen galt es, in zwölf Seminaren zu beweisen, dass 220 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschiedlicher Nationen trotz mancher Sprach- und Meinungsbarrieren gut zusammenarbeiten können.
Verstärkter Austausch mit Partnerhochschulen
„Eines fehlt jedoch im Programm“, merkte Cornelia Klinger in ihrem Vortrag an, „sozusagen die 13. Fee, die nicht an die Festtafel des Forums eingeladen worden ist“. Dies seien Themen wie Alter, Sterben und die Teilung der Bevölkerung in gesellschaftliche Klassen. Darüber hinaus erinnerte die Philosophin in ihrem Vortrag an den Nutzen, aber auch an die Grenzen der sozialen Arbeit und schloss schließlich mit den Worten: „Es kann glücken und gelingen, wenn wir verstehen, dass unsere Grenzen kein Scheitern bedeuten. Es sind die Bedingungen unserer Möglichkeiten, die wir nur gemeinsam und solidarisch realisieren können.“
Dies waren Stichworte für Vladimir Lukianov aus Kursk in Russland. Er sorgte mit einem überraschenden Auftritt für Gespräche, überreichte er doch dem Hochschul-Rektor Schäfer nach dessen Begrüßung einen Orden. „Für die Zusammenarbeit“, rief Lukianov. „Nichts ist momentan wichtiger, als Brücken zu bauen.“
In Bochum zumindest wurden vier Tage lang bildlich gesagt viele Brücken zwischen vielen Ländern gebaut. So will die Evangelische Fachhochschule den internationalen Austausch mit Partnerhochschulen verstärken. Davon profitierten beide Seiten, hieß es zum Abschluss des internationalen Forums.
„Interkulturelle Kompetenz vermitteln“
„Uns geht es darum, den Studenten interkulturelle Kompetenz zu vermitteln“, sagte Rektor Schäfer. „Wir brauchen diese Horizonterweiterung, wenn wir zum Beispiel vernünftig mit Flüchtlingen umgehen wollen.“ Für die Zukunft sind nach seinen Worten verschiedene Projekte mit den ausländischen Partnerhochschulen geplant. So soll mit Hochschulen in der Türkei ein Austausch zur Elementarpädagogik anlaufen, Fakultäten im Irak sollen bei der Entwicklung von Curricula unterstützt werden.
Nach Ansicht von Sozialwissenschaftlern müssen Sozialarbeiter künftig mehr auf eine bessere Kommunikation und gegenseitige Akzeptanz zwischen Helfendem und Klient achten. Helfende sollten anerkennen, dass Klienten als eigenständige Personen auch in der Lage sind, Zuwendung abzulehnen, sagte der Sozialethiker Fritz-Rüdiger Volz. „Zum Gelingen gehören also immer zwei. Das ist die Kunst professionellen Handelns.“