Von Yvonne Jennerjahn
Im April 1945 wurden in Brandenburg die Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück und weitere Orte des NS-Terrors befreit. Am 19. April und einigen anderen Tagen sollte in den Gedenkstätten mit einem umfangreichen Programm daran erinnert werden. Weil die Coronavirus-Pandemie das nicht zulässt, wird nun anders geplant. Im Mittelpunkt stehe jetzt ein virtuelles Gedenken, sagte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Oranienburg.
epd: Wie wird die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten die 75. Jahrestage der Befreiung der Häftlinge der Konzentrationslager und des Zuchthauses Brandenburg begehen?Axel Drecoll: Wir bereiten derzeit sehr intensiv einen "virtuellen 75. Jahrestag" vor, der in den sozialen Netzwerken und auf unserer Website stattfinden wird. Am 19. April wollen wir mit Videobotschaften von Überlebenden und Politikern sowie mit Videoclips von Projekten, die für den Jahrestag geplant waren, an die Befreiung der Häftlinge der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück erinnern. Bereits ab Ostermontag werden wir mit täglichen Posts auf Facebook, Twitter und Instagram auf dieses Ereignis aufmerksam machen. Für die Gedenkstätte im ehemaligen Zuchthaus Brandenburg-Görden wird eine solcher "virtueller 75. Jahrestag" am 26. April stattfinden.epd: Wird es wie zunächst geplant am 19. April irgendeine Form des Gedenkens geben?Drecoll: Im Vorfeld wird es Gedenkzeremonien im kleinsten Kreis geben. Sie werden filmisch dokumentiert und sind dann Teil des "virtuellen Gedenkens" am 19. April.epd: Bis wann bleiben die Gedenkstätten nach derzeitigem Stand geschlossen?Drecoll: In Absprache mit den zuständigen Gesundheitsbehörden des Landkreises Oberhavel sollen die Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück vorerst bis zum 15. Mai geschlossen bleiben. Für die anderen Gedenkstätten gelten die allgemeinen Beschränkungen, die ja bisher bis zum 19. April gelten. Bereits jetzt gehen bei uns Absagen für gebuchte Führungen bis weit in den Herbst ein.epd: Was passiert mit den Ausstellungen, die anlässlich der Jahrestage eröffnet werden sollten?Drecoll: Die in Sachsenhausen geplante Werkstattausstellung mit Objekten aus dem Alltag der KZ-Häftlinge und die in Brandenburg-Görden geplante Eröffnung der ersten Teilausstellung des Projekts "Bruchstücke 45" müssen auf spätere Zeitpunkte verschoben werden. Bei dem gesamten Ausstellungsprojekt "Bruchstücke 45" ist derzeit unsicher, ob auch die weiteren Eröffnungstermine im Mai in Below sowie im August in Sachsenhausen, Ravensbrück und in der Gedenkstätte Leistikowstraße gehalten werden können, da wir derzeit nicht wissen, ob wir die Ausstellungen unter den derzeitigen Bedingungen auch produzieren können.epd: Was passiert in den Gedenkstätten während der coronabedingten Schließzeit?Drecoll: Abgesehen davon, dass es derzeit keinen Besucherverkehr gibt, sind die Gedenkstätten voll arbeitsfähig, sei es, dass die Kollegen vor Ort sind oder auch im Homeoffice. Im Vordergrund stehen derzeit die Vorbereitungen für den "virtuellen 75. Jahrestag" mit fast täglichen Video-Konferenzen. Daneben nimmt das Krisenmanagement vor allem auf der Leitungsebene großen Raum ein. Zahlreiche Veranstaltungen und Projekte fallen aus oder sind gefährdet. Dafür sind umfangreiche Abstimmungen mit Kooperationspartnern und Förderern erforderlich. Die Schließung der Gedenkstätten und die Absage von zahllosen pädagogischen Programmen hat negative Auswirkungen auf den Haushalt, die kalkuliert und in die weiteren Planungen einfließen müssen. Von der Schließung der Gedenkstätten sind auch die freiberuflichen Guides existenziell betroffen, für die wir versuchen, Unterstützung zu organisieren.epd: Und darüber hinaus?Drecoll: In manchen Bereichen wird die gewohnte Arbeit fortgesetzt. Im Archiv werden Anfragen beantwortet, wobei hier teilweise ein vielleicht coronabedingter Anstieg zu verzeichnen ist, und Datenbanken werden gepflegt. Viele Kollegen nutzen die Zeit auch, um Rückstände aufzuarbeiten oder Überstunden abzubauen.