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Asyl in der Kirche

Seit 30 Jahren finden Flüchtlinge Schutz und Hilfe in Gemeinden.

Von Monika Herrmann

Am 13. Oktober 1983 steht eine verzweifelte palästinensische Familie vor der Tür des Gemeindehauses von Heilig-Kreuz in Kreuzberg, dem alten West-Berlin, und bittet um Hilfe. Grund: Die Familie soll abgeschoben werden. Sie wird im Gemeindehaus freundlich aufgenommen. Später kommen weitere Flüchtlinge. Alle sind von Abschiebung bedroht. Und alle können in Deutschland bleiben. Das war vor 30 Jahren der Beginn der Kirchenasyl-Bewegung, damals ein absolutes Novum in der West-Berliner Kirchenlandschaft. Doch das Ereignis mobilisierte viele Menschen, nun einfach da zu sein für jene, die schnelle Hilfe brauchten. So auch für die Familie Veli, die 1990 in Berlin aus dem Zug stieg und keine Ahnung hatte, wie ihre Zukunft in Deutschland einmal aussehen würde. Fest stand nur: „Wir wollten nie wieder nach Bulgarien zurück“, sagt der Familienvater Abdullah Veli.

„Wir sollten abgeschoben werden“

In Bulgarien war die türkisch- stämmige Familie verfolgt worden. Abdullah kam ins Gefängnis und wurde gefoltert. Nach seiner Entlassung gab es für ihn nur eins: raus aus Bulgarien. Die Familie stiegt in Sofia in den Zug Richtung Berlin, stellte hier einen Asylantrag, der jedoch abgelehnt wurde. „Wir sollten abgeschoben werden“, erzählt Nerim, Abdullahs Frau. Mit Hilfe eines Anwalts und engagierter Frauen und Männer aus der evangelischen Kirche gelang es, die Abschiebung zu verhindern. Aber die Velis lebten von nun an illegal in Berlin. Die evangelische Paulus-Gemeinde in Berlin-Zehlendorf nahm die vierköpfige Familie auf. Sie stellten eine Gästewohnung zur Verfügung, kümmerten sich um Essen und Trinken, täglich kamen Helfer vorbei. Rosemarie Welten, die in der eine Anlaufstelle für Flüchtlinge war, erinnert sich: „Wir versuchten so viel Normalität in das Leben der Familie zu bringen, wie nur möglich, aber die Angst vor einer Abschiebung war ständig präsent.“

Kampf gegen Behördenwillkür

Nach viereinhalb Jahren Kirchenasyl konnte der Familie endlich die erlösende Nachricht überbracht werden: „Ihr könnt in Deutschland bleiben, es ist alles gut.“ Heute haben die Velis die deutsche Staatsbürgerschaft und sind integriert. Abdullah arbeitet als Hausmeister in der Gemeinde Dahlem, Nerim in der Kita der Zehlendorfer Paulus-Gemeinde. Ihre beiden Töchter haben gute Schulabschlüsse gemacht. „Wir wurden vor der Abschiebung bewahrt, weil es Menschen gab, die gekämpft haben gegen Behördenwillkür“, sagt Abdullah Veli. (…)

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