Der ZDF-Fünfteiler “FC Hollywood” zeigt, wie Bayern München vor 30 Jahren vom Fußball- zum Skandalclub wurde. Leider vergisst die Serie vor lauter Staunen, welchen Anteil das Zweite am Erfolg dieser Strategie hatte.
Wer sich anschleicht, hat in der Regel was zu verbergen, nämlich die eigene Anwesenheit. Sie ist zwar nicht immer falsch, gar illegal. Weil Aufrichtigkeit eine Tugend ist, klingt der heimliche Zutritt verglichen mit der offenen Sohle aber auch irgendwie unredlich, verstohlen, arglistig. Im Fernsehen darf sich Reklame deshalb nicht anschleichen, sondern muss klar als solche sichtbar sein – sonst wäre es Product Placement. Womit wir beim Premiumprodukt der Fußballrepublik Deutschland sind.
Und nein – es ist nicht der Sportartikelhersteller mit den Streifen. Auch wenn die Marke viel mit der Wertschöpfung des FC Bayern zu tun hat. Wer hierzulande über professionellen, also profitablen Massensport berichtet, kommt am Serienmeister aus München schlicht nicht vorbei. Oder wie es das ZDF zu Beginn seines opulenten Clubporträts in Großbuchstaben voranstellt: “Einer der erfolgreichsten Fußball-Clubs der Welt”. Heutzutage. Denn das – raunt der Fünfteiler in weißer Schrift auf schwarzem Grund – “war nicht immer so”.
Vor 30 Jahren beendete der aktuelle Tabellenführer die Bundesligasaison lediglich als Sechster und spielte nicht nur relativ erfolglos. Sondern auch noch vor halbleeren Rängen. Das sollte sich ändern. Wie das gelang, arbeitet “FC Hollywood” fünf Folgen lang auf. Wobei eigentlich zwei Serien in der ZDF-Mediathek stehen: Die erste liefert seriösen TV-Journalismus im Dienst von Information und Entertainment, ist also Teil der Lösung. Die zweite allerdings gehört zum Problem.
Denn “FC Hollywood”, wie das Format nach einem geflügelten Wort der Neunzigerjahre heißt, ist gleichzeitig Sender und Empfänger, Objekt und Subjekt, Quelle und Mündung seiner eigenen Erzählung. Und Medien – kommerzielle wie private, gestreamte oder lineare – erzählen diese schon immer bereitwillig weiter. Auch das ZDF ist hautnah dran am Geschehen.
Es beginnt 1995, als der Bundesliga-Dominator sogar die Champions League verpasste. Eine Majestätsbeleidigung, die Bayern München wie so viele Alleinherrscher seit der Antike mit Zuckerbrot und Peitsche beantwortete. Statt Konkurrenten wie seit Jahrzehnten üblich mit Abkäufen von Klinsmann über Herzog und Basler bis zum Werder-Coach Rehagel nur gezielt zu schwächen, baute Manager Uli Hoeneß auch noch fotogene Spieler um den Karlsruher Mädchenschwarm Mehmet Scholl fortan gezielt zu Popstars auf.
Mit durchschlagendem Erfolg. Denn nicht nur der Boulevard von “Bild” und “Bunte” sprang auf den Zug der “sportlichen Boyband” auf. Animiert vom Sat.1-Fußballfrischling “ran” hüpften die alten öffentlich-rechtlichen Platzhirsche ARD und ZDF gerne mit. Ex-Elitekicker Didi Hamann weiß auch, warum: “Für die Journalisten war das ein Schlaraffenland”. Gossip und Glamour flossen schließlich wie Milch und Honig.
Langfristig wies das selbstentzündete Rampenlicht den Weg zur Sonnenseite der Aufmerksamkeitsindustrie, blähte den Fußball zum Business auf und bescherte Bayern in den 29 Jahren nach der Schmach von 1995 nicht nur 38 große Titel, sondern auch Milliardenumsätze. Leider vergisst das ZDF vor lauter Staunen derlei Kausalitäten auch anzusprechen. So virtuos die Serie mit einer erlesenen Auswahl Zeitzeugen von Matthäus’ Skandalen über Trapattonis Wutrede bis zum Gewinn der Champions League 2001 die 90er durchläuft, so naiv geht sie der Vereinsstrategie auf den Leim. Oder mit des Kaisers Worten: “Viele machen den Fehler, dass sie den Medien die Schuld geben, aber wir geben den Medien auch die Gelegenheit.”
Denn jeder Bericht übers deutsche Bundesligazugpferd treibt dessen Profit höher und vergrößert die Ungleichheit der nationalen Konkurrenz weiter. Jede öffentlich-rechtliche Übertragung irrelevanter Pokal- oder PR-Spiele rückt Eigenmarke und Sponsoren noch geldwerter ins Bild. Um nicht missverstanden zu werden: Dabei besteht kein Zweifel, dass ARD oder ZDF für ihr sportjournalistisches Marketing weder Geld- noch Sachleistungen erhalten.
Dennoch müsste in “FC Hollywood” die bayerische Waren- und Dienstleistungspräsenz als “Dauerwerbesendung” oder mit einem “P” für “Produktplatzierung” kenntlich gemacht werden. Etwas mehr Zurückhaltung bei der mittelbaren Markenpflege eines profitorientierten Entertainmentkonzerns wäre bei der ZDF-Serie angeraten gewesen – gerade in diesen populistischen Zeiten. So hätte es den Produzenten gut zu Gesicht gestanden, in ihrer amüsant erhellenden Doku wenigstens am Rande zu erwähnen, dass ARD und ZDF nicht nur Beobachter, sondern stets auch Teilnehmer am Milliardenspiel des “FC Hollywood” waren. Und sind.