Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ist um eine Einrichtung ärmer: Das Diakoniewerk München hatte nach einjährigem Insolvenzverfahren am Dienstag die Betriebsschließung verkündet. Bis Ende 2024 müssten Klinik und Therapiezentrum die Arbeit einstellen, erklärte Vorständin Eva-Maria Matzke auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) am Mittwoch. Die Geriatrische Rehabilitation folge bis Ende Januar 2025 und die Senioreneinrichtungen bis Ende März. Aufgrund der „anhaltend hohen Defizite in den wesentlichen Geschäftsbereichen und der mit unter 50 Prozent zu niedrigen Auslastung der Klinik“ habe es zur Betriebsschließung keine Alternative gegeben, teilte der Insolvenzverwalter mit. Die jährlichen Verluste hätten – bei etwa 25 Millionen Euro Umsatz – in den vergangenen Jahren im siebenstelligen Bereich gelegen, Tendenz steigend.
„Wir haben seit Februar mit dem Insolvenzverwalter verschiedene Sanierungskonzepte geprüft, aber die Berechnungen zeigen, dass sie nicht finanzierbar sind“, sagte Matzke dem epd. 274 Mitarbeitende verlieren durch die Betriebsschließung jetzt ihren Job. Für die aktuell 73 Bewohnerinnen und Bewohner der stationären Altenpflege und des betreuten Wohnens müssen neue Plätze gefunden werden. Wie es für die Azubis und Lehrkräfte der angeschlossenen Berufsschule weitergehe, werde derzeit mit der Schulbehörde geklärt.
Das traditionsreiche Diakoniewerk Maxvorstadt, 1867 als Diakonissenanstalt gegründet, ist kein Einzelfall. Auch die Diakonie Passau und der Diakonieverein Amberg hatten Ende 2023 Insolvenz angemeldet. Die Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner, sagte auf epd-Anfrage, dass die Lage allgemein „sehr angespannt“ sei. Sie rechne mit weiteren Einschränkungen oder Schließungen von Angeboten.
Die Arbeiterwohlfahrt teilte mit, dass im vergangenen Jahr alle ihre ambulanten Pflegedienste defizitär gewesen seien; drei davon mussten schließen. Beim Bayerischen Roten Kreuz reicht die Liste der Schließungen nach Auskunft eines Sprechers in den letzten zwei Jahren von Kindergärten über Sozialstationen und Pflegeheimen bis hin zu Kliniken. Nach Angaben der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern mussten 2024 zwei Drittel der Einrichtungen ihre Angebote einschränken oder einstellen. Vor allem die steigenden Sach-, Personal- und Energiekosten sowie der Fachkräftemangel setze die Träger unter Druck.
Diakoniepräsidentin Weingärtner bezeichnete die Entwicklung im Sozialbereich für die Wirtschaft als gravierend: „Wenn Kinder oder Senioren nicht betreut sind, wie sollen Angehörige arbeiten?“ Schlechtere soziale Versorgung könne sich zudem auf das Wahlverhalten von Menschen auswirken: Wenn man Menschen in den zerbrechlichen Momenten ihres Lebens allein lasse, sei das nicht nur für die Betroffenen fatal. „Es hat auch Auswirkungen auf die Demokratie: In der Gesellschaft steigen Unzufriedenheit, Neid und Verlassenheitsgefühle“, warnte Weingärtner.
Die Präsidentin forderte abermals eine ausreichende und verlässliche Finanzierung sozialer Angebote: „Wir müssen weg von Projektstellen oder von Modellen, bei denen wir Eigenmittel einbringen müssen.“ Mangels Rücklagen oder anderer Möglichkeiten zur Querfinanzierung könnten sich die freien Träger solche Konzepte nicht mehr leisten. Auch die Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege, Brigitte Meyer, bezeichnete die Prognosen für den Sozialbereich zuletzt als „allesamt beunruhigend“. Sie forderte ein entschlossenes Handeln der Politik, um Wohlfahrtsarbeit als „Kitt der Gesellschaft“ für die Zukunft zu sichern. (00/3158/23.10.2024)