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#Wochenmarktliebe

Wochenmärkte liegen bei jungen Menschen im Trend

Friederike liebt vor allem die frischen Blumen vom Markt. An denen erfreut sich die 27-jährige Studentin eine ganze Woche lang. Und auch das frische Obst und Gemüse landet bei ihr regelmäßig im Einkaufskorb. Meistens schlendert sie am Wochenende über den Mainzer Wochenmarkt im Schatten des Doms. Oft alleine, ab und zu auch mit Freunden. Dann holt sich die Truppe einen Kaffee oder eine Weinschorle und genießt das bunte Treiben auf dem Markt.

Ein Blick auf ihren Instagram-Account zeigt: Gutes und gesundes Essen ist ihr wichtig. So geht es vielen jungen Leuten, wenn man unter Hashtags wie „#wochenmarktliebe“ Bilder und Videos durchstöbert. Am häufigsten taucht dabei übrigens mit knapp 80 000 Beiträgen der Viktualienmarkt in München auf, gefolgt vom Münsteraner Wochenmarkt vor dem Dom.

Lust am Kochen und bewusster Ernährung

Hier ist Martin Winterhoff zu Hause. Seit 35 Jahren ist der 62-Jährige aus Münster-Altenberge als Verkäufer auf verschiedenen Märkten in der Region unterwegs. Angefangen hat alles mit einem Olivenstand auf dem Münsteraner Markt. Den betreuen heute seine zwei Söhne. Winterhoff ist eigentlich schon im Ruhestand, steht aber nach wie vor zweimal die Woche selbst an seinem Käsekuchen-Stand – und bedient dort auch immer mehr junge Menschen, wie er erzählt. Den Trend erklärt er sich unter anderem damit, dass Kochen wieder in ist, sich die Menschen bewusst und immer häufiger auch vegetarisch und vegan ernähren möchten. „Der Wochenmarkt steht für Frische und Regionalität“, ist der Westfale überzeugt. Außerdem sei es ein beliebter Treffpunkt für junge Erwachsene.

Die Geschichte der Wochenmärkte in Deutschland geht bis in das zehnte Jahrhundert zurück. Die Märkte waren Zentren städtischen Lebens. Hier war der Ort für öffentliche Gerichtsverhandlungen, Ganoven wurden auf dem Markt verbrannt oder enthauptet. Viele der heutigen Märkte existieren seit Jahrhunderten. Der im Herzen Münchens gelegene Viktualienmarkt zwischen Heilig-Geist-Kirche und Frauenstraße  etwa zieht bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts Menschen an.

Übrigens: Auch einige Kirchengemeinden sind auf den Markt-Geschmack gekommen: So lädt die evangelische Gemeinde Neubeckum im Kreis Warendorf jeden Freitag um 12 Uhr zu einer Marktandacht ein, die Stadtkirche St. Marien in Husum begrüßt Gläubige jeden Donnerstag für einen Moment des Innehaltens.

Das Konzept des Wochenmarkts scheint also unzerstörbar. Wäre da nicht das Problem mit dem Händlernachwuchs. Die Standplätze seien zwar nach wie vor begehrt, viele Besitzer sorgten sich jedoch um die Zukunft, erzählt Winterhoff. Das frühe Aufstehen, das lange Stehen, im Winter die Kälte. „Für viele ist ein Job im Callcenter das bequemere Arbeiten“, ist Winterhoff überzeugt. Während Corona hätten sich jedoch viele Studierende gefunden, die sich hinter die Tresen gestellt haben. Schließlich fielen Minijobs etwa in der Gastronomie weg.

Apropos Corona: Die Pandemie hat den Trend mit dem Wochenmarkt noch einmal befeuert, wie Winterhoff beobachtet hat. Schließlich war der Einkauf auf dem Markt eines der wenigen Erlebnisse, die noch blieben. Außerdem war das Shoppen unter freiem Himmel coronakonform. Gerade in dieser Zeit habe sich der Münsteraner Markt noch einmal neu erfunden, erklärt Winterhoff. Um den Mindestabstand zu gewähren, wurden alle Imbiss-Stände gesondert platziert. Das kam gut an und soll auch künftig so bleiben. Geplant seien außerdem mehr Stehtische und Sonnensegel. Es soll noch schicker werden, noch mehr „place to be“.

Märkte passen ihre Öffnungszeiten an

Vor allem aber die Uhrzeiten wurden über die Jahre angepasst. So hat der Münsteraner Markt bei den neueren Uhrzeiten besonders an Studenten und Berufstätige gedacht. Früher hatte der Markt samstags zum Beispiel nur bis mittags geöffnet, heute bis 14.30 Uhr. Das sei erst mal auf Gegenwind gestoßen, berichtet Winterhoff, der außerdem Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Marktbeschicker Münster ist – ein Verein, der sich für die Kolleginnen und Kollegen im Wochenmarkt-Geschäft stark macht. „Denen musste man erst einmal bewusst machen: Die Verkaufszeiten sind lebensfremd. Der Lebensstil hat sich gewandelt. Die Leute schlafen am Wochenende aus, frühstücken in Ruhe und gehen dann gemütlich auf den Markt“, sagt der Experte. Die Kundschaft, die Samstagfrüh um halb acht schon vor den Gemüseständen steht, werde immer weniger.

Auch in anderen Städten wie Köln gibt es inzwischen Wochenmärkte speziell für die Bedürfnisse jüngerer, berufstätiger Kunden. Auch hier haben die Märkte abends länger geöffnet. Auf dem Wochenmarkt am zentral gelegenen Rudolfplatz können Besucher etwa von 16 bis 21 Uhr einkaufen.

Die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Denn auch Street-Food-Markets und Markthallen sind beliebt. Nach Einschätzung des Frankfurter Zukunftsinstituts spiegeln die Märkte das gesellschaftliche Verlangen nach weniger Anonymität wider. Die Besucher seien auf der Suche nach Gleichgesinnten. Es gehe auch ums Sehen und Gesehen-Werden, verbunden mit einer neuen Erlebnisqualität und dem Trend zur Entschleunigung, heißt es in einem Bericht.

Wer zeitlich noch flexibler sein will, kann sich das Markt-Gefühl mittlerweile auch nach Hause holen. Die App „Marktschwärmer“ funktioniert ein bisschen wie ein digitaler Wochenmarkt. Die Kunden bestellen und bezahlen ihre Ware online. Zum Abholen geht es zur nächst gelegenen „Schwärmerei“ – also die entsprechende Ausgabestelle für die Lebensmittel. Diese stammen ausschließlich von bäuerlichen Erzeugern und kleineren Herstellern aus der unmittelbaren Region.

Mit dabei sind auch Kirchengemeinden, zum Beispiel die Frankfurter Hoffnungsgemeinde im Gutleutviertel. Sie stellt Hof und Räume zur Verfügung, damit Kunden ihre Produkte dort abholen können. Die Idee des Projekts kommt übrigens aus Frankreich. Dort ist es unter dem Namen „La Ruche Qui Dit Oui!” (Der Bienenkorb, der Ja sagt!) 2011 gestartet.

Wie sich der Trend rund um Wochenmärkte und Erlebniseinkauf in den kommenden Jahren weiterentwickeln könnte, analysiert der sogenannte „Retail Report 2021“ des bereits genannten Zukunftsinstituts. Hier rechnen die Experten etwa mit einem Comeback der Snackautomaten – allerdings fern- ab von Schokoriegeln und Trinkpäckchen. Beispielhaft nennen die Autoren den Brotautomat der Bäckerei Felzl in Wien, der Kunden Brot und Backwaren auch spät am Abend und in der Nacht anbietet.

www.marktschwaermer.de

• Übersicht und Öffnungszeiten Wochenmärkte Deutschland: https://www.wochenmarkt-deutschland.de/maerkte