Rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bremen kritisieren in einem offenen Brief die Leitung der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) wegen ihres Umgangs mit dem Thema Kirchenasyl. Anlass des am Montag veröffentlichten Schreibens, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, ist eine Aktion des Bremer Flüchtlingsrates im Zion-Gemeindezentrum der Vereinigten Kirchengemeinde Bremen-Neustadt. Die Verfasser werfen der Kirchenleitung vor, Veranstaltungen des Flüchtlingsrates in den Räumen der Gemeinde zu unterbinden und Druck auf den dortigen Pastor Thomas Lieberum auszuüben.
In einer Stellungnahme vom Montag widerspricht die BEK den Vorwürfen und verweist auf ein Moratorium, das Gemeinde und Kirchenleitung nach einem Gespräch einvernehmlich geschlossen hätten. Darin hätten beide Seiten vereinbart, dass in der Gemeinde bis auf Weiteres keine Menschen mehr ins Kirchenasyl aufgenommen und keine Veranstaltungen des Bremer Flüchtlingsrats zum Thema Kirchenasyl mehr stattfinden. Hintergrund des Moratoriums sind den Angaben zufolge unter anderem laufende Gespräche der BEK mit dem Bremer Innenressort.
Bei der Aktion Mitte Mai waren rund 200 Menschen in dem Gemeindezentrum zusammengekommen, um eine mögliche Abschiebung eines 19-jährigen Syrers nach Kroatien zu verhindern. Als Begründung führte der Flüchtlingsrat unter anderem an, dass Geflüchtete in dem Balkan-Staat keine menschenwürdige und rechtsstaatliche Behandlung erhielten. Dieser Argumentation folgen auch die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefes, unter ihnen der Epidemiologe Hajo Zeeb, der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano sowie der Politikwissenschaftler Klaus Schlichte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sieht Kroatien – wie alle EU-Staaten – hingegen als sicheres Herkunftsland an.
Die Leitung der BEK hatte sich bereits in der vergangenen Woche von der Aktion distanziert. Sie verwies auf eine Vereinbarung des Bamf mit der evangelischen und die katholischen Kirche in Deutschland, wonach es beim Kirchenasyl „um besondere Einzelschicksale geht, keinesfalls jedoch darum, den Rechtsstaat infrage zu stellen oder um eine systematische Kritik am Dublin-System“. In ihrer aktuellen Stellungnahme ergänzt die Kirchenleitung, das Kirchenasyl sei „ein Appell im Sinne des Rechtsstaates, Einzelfälle mit besonderen humanitären Härten besonders zu überprüfen“.
Bereits im Dezember hatten Gemeindepastor Lieberum und rund 100 Mitstreiter einen Versuch der Bremer Innenbehörde vereitelt, das Kirchenasyl eines 25-jährigen Somaliers zu beenden. In der Folge hatte das Land Bremen der BEK vorgeworfen, zu großzügig von der Möglichkeit des Kirchenasyls Gebrauch zu machen. So hatte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) kritisiert, dass von bundesweit etwa 2.000 Kirchenasylen rund 200 von Bremer Kirchengemeinden gewährt würden.