Vor dem Hintergrund des geplanten Preisanstiegs beim Deutschlandticket fordern Wissenschaftler mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV). Zudem sprachen sie sich für umfassende Verkehrskonzepte aus, um Busse, Straßenbahn und Züge besser miteinander zu vernetzen.
Die Verkehrsminister der Länder hatten am Montag (23. September) beschlossen, dass das Deutschlandticket statt bislang 49 ab Januar 2025 dann 58 Euro kosten solle. Finanziert wird das Ticket zur Hälfte von Bund und Ländern. Beide Seiten zahlen aktuell jährlich jeweils 1,5 Milliarden Euro dafür. Nach einem weiteren Treffen am Donnerstag verteidigten die Fachminister den Schritt. Ohne Preiserhöhung wäre das Angebot nicht mehr zu finanzieren gewesen, sagte die zuständige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Katrin Eder (Grüne).
Der Mobilitätsforscher Gernot Liedtke allerdings bezweifelt, dass die Anhebung zu mehr Einnahmen führt. Denn durch den Preisanstieg werden seiner Einschätzung nach Fahrgäste aufs Auto oder auf Einzeltickets wechseln. Auch würden wieder andere Tarife nachgefragt, sodass der Tarifdschungel sich nicht so schnell lichte, sagte der Direktor des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Auch deshalb sieht Liedtke nur einen mäßigen Einfluss des Deutschlandtickets auf die angestrebte Verkehrswende. In den Städten habe sich das Verkehrsverhalten nicht viel verändert. Lediglich Berufspendler mit längeren Fahrten, die früher nicht selten mehr als 200 Euro im Monat bezahlten, hätten vom Deutschlandticket profitiert. „Aus dieser Gruppe kamen viele Neukunden“, sagte Liedtke.
Zugleich mahnte er Ticketpakete für verschiedene Nutzergruppen an. Familien etwa müssten bislang bei Ausflügen die Kindertickets einzeln kaufen. Auch Fahrradtickets seien für Pendler vielerorts zu teuer. Die Erhöhung hätte die Chance geboten, Tarifbündel für differenziertes Reisen zu schnüren. „Flatrates gibt es in allen Bereichen, aber im öffentlichen Verkehr wird dies nicht mitgedacht“, kritisierte Liedtke.
Die Optimierungsprofessorin Anita Schöbel von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau plädierte für eine engere Vernetzung aller Verkehrsträger, um den ÖPNV langfristig schneller und bezahlbar zu organisieren. Die Vernetzung allerdings klappe dort besser, wo viel Geld in den öffentlichen Verkehr fließe. Viele Kommunen und Verkehrsbetriebe aber schauten nur auf ihr eigenes Tarifgebiet. Es müssten aber der gesamte Reiseweg der Kunden berücksichtigt werden, „auch, wie der Fußweg zum Beispiel von einer Straßenbahn zum Zug ist“, sagte Schöbel dem epd.
Philipp Kosok vom Thinktank Agora Verkehrswende appellierte an die Bundesregierung, eine langfristige Perspektive für einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr zu entwickeln. „Es fehlt eine grundlegende Strategie, wie die Politik in den nächsten Jahren verfahren will“, kritisierte er.
Zudem gebe es für das Deutschlandticket nach wie vor keine dauerhafte Finanzierung. Eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel bis 2031 sei zwar beschlossen, reiche aber für die notwendigen Angebotserweiterungen keineswegs aus. „Da bleibt die Politik eine Antwort schuldig“, sagte Kosok.