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Weihnachtsschokolade für Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat auf die Not von wohnungslosen Frauen hingewiesen. Bei einem Besuch von zwei Projekten für obdachlose Frauen am Montag in Berlin erinnerte er daran, dass diese besonders häufig Opfer von Gewalt seien. „Die Zahl der Menschen ohne Wohnung ist nach wie vor erschütternd hoch“, beklagte der Bundespräsident nach Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Besucherinnen der Tagesstätte “Evas Haltestelle und des Projektes Housing First.

In der Tagesstätte in der Müllerstraße in Berlin-Wedding können obdachlose Frauen ihre Grundbedürfnisse nach Essen, Schlaf, Körper- und Wäschepflege sowie nach Gemeinschaft erfüllen. Housing First versucht für wohnungslose Frauen eine neue, dauerhafte Bleibe zu finden. Träger ist der Sozialdienst katholischer Frauen.

„Das darf uns nicht kaltlassen, dass Menschen auf der Straße leben und sich nur notdürftig gegen Frost und Kälte schützen können“, sagte Steinmeier. Frauen seien in besonderer Weise betroffen, weil sie neben Gewalt während ihrer Wohnungslosigkeit oft auch Abhängigkeit erlebten, wenn sie beispielsweise bei Freunden oder Bekannten übernachten.

Der Bundespräsident betonte, eine eigene Wohnung ermögliche Würde und Selbständigkeit. In Zeiten von Wohnungsmangel sei es aber noch schwieriger, Frauen mit Apartments zu versorgen. Steinmeier würdigte, dass bei Housing First Wohnungen vermittelt werden, ohne dass nach den Lasten der Vergangenheit gefragt werde. Die Mehrheit ihrer Klientinnen ist nach Angaben der Träger überschuldet.

Claudia Peiter vom Sozialdienst katholischer Frauen betonte gegenüber dem Bundespräsidenten, Ziel der Arbeit sei, sich überflüssig zu machen: „Derzeit haben wir aber mehr Zulauf denn je.“ Nötig seien eine Verstetigung der Finanzierung und mehr Angebote für Frauen.

Durch Housing First wurde nach Angaben der Träger seit 2018 rund 80 Frauen eine Wohnung vermittelt. Eine Betroffene berichtet Steinmeier, dass sie nach der Renovierung ihres Hauses die gestiegene Miete nicht mehr bezahlen konnte und daraufhin ihre Wohnung verlor. Zwei Jahre habe sie auf der Warteliste von Housing First gestanden. Jetzt habe sie die ersten Verschönerungen an der neuen Wohnung vorgenommen, erzählte die 53-Jährige. Dem Bundespräsidenten überreichte sie eine kleine gelbe Papiertüte: „Zu Weihnachten, Schokolade“, erklärte sie.

Während seines Besuches packte der Bundespräsident mit an und schnitt in der Küche „Evas Haltestelle“ Wurststücke für das Mittagessen der Besucherinnen. Später schenkte Steinmeier im Frühstücksraum Kaffee an Gäste und Mitarbeiterinnen aus und setzte sich mit an die Tische.

Eine Frau berichtete ihm, dass sie „Hab und Gut und Familie verloren“ habe. Ihre Wohnungslosigkeit sei „eine lange Geschichte“. Sie komme nicht allein wegen des Essens in die Einrichtung, sondern vor allem, um Frauen mit ähnlichen Erfahrungen zu treffen.

Steinmeier zeigte sich am Ende beeindruckt von dem „Mindestmaß an Geborgenheit“, die die betroffenen Frauen in „Evas Haltestelle“ erfahren. Und wünschte Erfolg bei der Suche nach zu vermittelnden Wohnungen.