Am Mittwochabend hatten sich schon Zehntausende auf dem Petersplatz die Beine in den Bauch gestanden. Auch Papst-Wahlgang Nummer zwei und drei gingen am Donnerstagmittag in schwarzem Rauch auf – bei großartiger Stimmung.
“Was bedeuten denn diese Rauchzeichen?” Hanita und Ramnee aus Indien sind wohl die einzigen an diesem Donnerstagmorgen auf dem Petersplatz, die keine Ahnung von Papstwahl haben. Staunend hört sich das Paar an, wie das merkwürdige Prozedere namens Konklave funktioniert, das nur die katholische Kirche bietet. “Die Stimmung ist jedenfalls wunderbar”, findet der Mann mit dem Turban.
Schon deutlich vor neun Uhr sind die Ersten vor den Petersdom gekommen, den Schornstein der Sixtinischen Kapelle fest im Blick. Der Himmel hat fast das gleiche dramatische Eisblau wie Michelangelos “Jüngstes Gericht”, unter dem die 133 Kardinäle gerade den 267. Nachfolger des Apostels Petrus wählen. Ab und zu fallen ein paar Regentropfen.
Tony aus Dubrovnik hat sich spontan Urlaub genommen. “Es ist so wichtig, dass der nächste Papst wieder Ordnung in die Kirche bringt”, meint der 28-jährige Ingenieur, um die Schultern eine weiße Fahne mit dem Bild des Heiligen Blasius, der in seiner Heimat besonders verehrt wird. “Ich bin ein traditioneller Christ und liebe die Alte Messe.” Dass Franziskus gegen die lateinische Messform war, habe viele verletzt. Deshalb sähe Tony gerne den früheren Glaubenspräfekten Kardinal Gerhard Ludwig Müller aus Deutschland oder den ehemaligen Kurienkardinal Robert Sarah aus Afrika auf dem Stuhl Petri – aber bitte auf keinen Fall die beiden Italiener Pietro Parolin oder Matteo Zuppi, zwei “Franziskus-Männer”.
Giordano, der mit seinem Hund Leo an einer Säule der Kolonnaden lehnt, sieht das ganz anders. “Ich kenne Zuppi persönlich! Ein guter Mann”, findet der Mittsechziger, dessen Habseligkeiten in einer Plastiktüte zu seinen Füßen verstaut sind. Vor allem sei Zuppi schon lange in der Gemeinschaft Sant’Egidio engagiert, die sich um Menschen in Not kümmert.
Unterdessen hat die Sonne die Oberhand gewonnen, immer mehr Menschen strömen auf den Platz, viele weitere mit Flaggen, manche hocken auf dem Boden, weil das Warten doch immer länger wird. Nachdem bis kurz vor elf keinerlei Rauchzeichen zu sehen sind, ist klar, dass auch Wahlgang Nummer zwei erfolglos war. Vor der Mittagspause der Kardinäle, so wissen es drei Priester aus Connecticut, sollte jedoch auf jeden Fall Rauch aufsteigen – schwarz oder weiß.
Ilaria aus Neapel, die in Rom Pharmakologie studiert, blickt abwechselnd auf ihr Tablet und plaudert mit der Gruppe von US-Amerikanern. “Ich hab morgen Prüfung, aber ich will doch das hier nicht verpassen!”, zeigt die junge Frau auf die vielen tausend Menschen aus allen Ecken der Welt. “Außerdem hoffe ich ein bisschen auf den Heiligen Geist, der doch grade hier ist.” Ein paar Meter entfernt betet eine portugiesische Familie den Rosenkranz, während das jüngste Töchterchen mit Mamas Handy spielt.
Manlio aus Apulien hat seinen Sohn Ludovico heute von der Schule abgemeldet, damit sie beide nach Rom fahren konnten. “Es ist ein historischer Tag! Wir wünschen uns einen Papst, der das, was Franziskus begonnen hat, fortsetzt.” An einen “Franziskus II.” glaubt er aber nicht. “Der Neue muss einen Neuanfang machen, das wird sicher nicht einfach.”
Crista und Erin aus Fresno in Kalifornien sind gerade auf einer dreiwöchigen Rundreise durch Italien. “Wir waren gestern am Grab von Franziskus, er war großartig”, so die beiden evangelikalen Christen. “Hoffentlich wird der Nächste sein Erbe übernehmen! Und hoffentlich beeilen sie sich, damit wir weißen Rauch sehen!” Derweil gibt es auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle wieder nur ein paar Möwen zu sehen; die Vögel scheinen die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zu genießen. Auf der Via della Conciliazione bewegen sich weiterhin Pilgergruppen zum Petersdom, wo sie die Heilige Pforte durchschreiten wollen.
Alexandre (25) und Vianney (26) aus Paris, die gerade mit dem Jura- bzw. Literaturstudium fertig sind, haben keinen Favoriten für das Papstamt. “Wir genießen hier einfach die Atmosphäre. Es sind so viele Leute aus vielen Ländern hier, das zeigt, wie international und universal die Kirche ist”, so die beiden Katholiken, die eine Frankreich-Flagge dabei haben. “Wir wollen sie dann schwenken, wenn weißer Rauch kommt, darauf freuen wir uns.”