Der Kanzler hat kein Verständnis mehr für das militärische Vorgehen Israels in Gaza. An Jerusalem prallen die Einwände nicht ab. Der Zentralrat der Juden äußert Verständnis – warnt aber auch.
Die Debatte um das deutsch-israelische Verhältnis bleibt in Bewegung. Außenminister Johann Wadephul (CDU) pochte in deutlichen Worten auf die humanitären Verpflichtungen Israels im Gazastreifen. Unterdessen versicherte der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, dass sich die Regierung in Jerusalem mit den kritischen Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum Gaza-Krieg auseinandersetzen wolle.
Wadephul betonte, er werde sich nicht von der israelischen Regierung instrumentalisieren lassen. Eine “Zwangssolidarität” werde es nicht geben, so der Außenminister am Dienstag auf dem WDR-Europaforum bei der Digitalkonferenz Republica in Berlin. Es sei wichtig, zwischen dem israelischen Volk und der Regierung zu unterscheiden.
“Was völlig inakzeptabel ist, dass die Menschen nicht mit Grundnahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden”, so Wadephul. Alle hätten das Recht, ernährt zu werden, Medikamente zu bekommen und dass Deutschland sich um sie kümmere: “Und das tun wir.” Die Situation im Gazastreifen sei unerträglich und nicht mit dem humanitären Völkerrecht in Einklang zu bringen. Der Kampf Israels gegen die terroristische Hamas sei berechtigt, müsse aber verhältnismäßig sein.
Merz hatte am Montag beim WDR-Europaforum in Berlin gesagt: “Das, was die israelische Armee im Gazastreifen macht, ich verstehe – offen gestanden – nicht mehr, mit welchem Ziel.” Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, lasse sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.
“Wenn Friedrich Merz diese Kritik gegenüber Israel erhebt, dann hören wir sehr gut zu, weil er ein Freund ist”, sagte Botschafter Prosor am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Israel halte aber an dem Ziel fest, “Hamas als Terrororganisation zu beseitigen”. Sie wolle das israelische Volk auslöschen. Der Diplomat sprach von einem “Teufelskreis”, in dem Israel versuche, in den Gazastreifen verschleppte Geiseln zu retten, humanitäre Hilfe zu leisten und gleichzeitig Terroristen zu bekämpfen.
Die Hamas habe Schulen zu Waffenlagern gemacht, Moscheen zu Kasernen und Krankenhäuser zu Kommandozentralen. Vor diesem Hintergrund halte er Äußerungen mancher europäischer Staaten für unangemessen. Die Bereitschaft etwa von Frankreich und Spanien, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, sei befremdlich, sagte Prosor.
Auch der Päsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, betonte auf der Plattform X, dass die Hamas die Verantwortung für das Leid trage. Sie könne es mit der Freilassung der am 7. Oktober 2023 verschleppten Geiseln und der Niederlegung der Waffen selbst beenden. “Ich kann es jedoch verstehen, wenn der Bundeskanzler sich in der aktuellen Situation zu der Lage in Gaza äußert und auch kritische Töne sendet.”