Vor fünf Jahren ließ der Bremer Pastor Olaf Latzel scharfe Worte zu Homosexualität fallen. Gerichte kamen zu unterschiedlichen Urteilen, ob es Volksverhetzung war oder nicht. Nun wird der Fall neu verhandelt.
Verurteilung vor dem Amtsgericht, Freispruch vor dem Landgericht, Aufhebung des Freispruchs vor dem Oberlandesgericht – und nun eine neue Verhandlungsrunde wieder vor dem Landgericht: Zum vierten Mal befasst sich ein Gericht mit dem Bremer Pastor Olaf Latzel. Ab Mittwoch muss sich der 56-Jährige ein weiteres Mal wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten. Dabei geht es um Äußerungen, die vor fünf Jahren in einem auch auf Youtube veröffentlichten Eheseminar fielen.
In dem 142 Minuten langen Video bezeichnete der Pastor der evangelikal ausgerichteten Bremer Sankt Martini Gemeinde Homosexualität als “Degenerationsformen von Gesellschaft”. Latzel sagte: “Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher-Street-Day.” Die Idee, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe, nannte er “Genderdreck”, der ein “Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung” und “zutiefst teuflisch und satanisch” sei. Der Verein Christopher-Street-Day Bremen stellte daraufhin Strafantrag gegen den Geistlichen, einen Bruder des deutlich liberaler eingestellten Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat der Bremer Pastor Homosexuellen das Recht abgesprochen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und Teilnehmer des Christopher-Street-Days als Verbrecher bezeichnet. Damit habe er bewusst unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit volksverhetzende Äußerungen getätigt. Latzels Verteidiger hingegen fordern einen Freispruch. Der Pastor habe die umstrittenen Äußerungen vor 30 Mitgliedern seiner Gemeinde getätigt und niemandem zum Hass angestachelt.
Latzel selbst entschuldigte sich mehrfach für seine scharfen Formulierungen. Er habe lediglich Homosexualität und die Gender-Theorie verurteilt, nicht aber die betroffenen Menschen. Mit dem Begriff “Verbrecher” habe er “militante Aggressoren” gemeint, die ihn und seine Gemeinde immer wieder attackierten.
Seiner Argumentation folgte das Amtsgericht Bremen nicht. Es verurteilte den Geistlichen im November 2020 zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro. Die Unterscheidung zwischen Homosexuellen und Homosexualität ließ das Gericht nicht gelten. “Homosexualität ohne Menschen ist nicht vorstellbar”, erklärte die Richterin. Das Eheseminar habe zum Hass gegen Homosexuelle und Intergeschlechtliche angestachelt. Die Äußerungen seien Stimmungsmache und könnten als Lizenz zum Handeln gegen die angesprochenen Menschen verstanden werden.
Ganz anders – mit einem Freispruch – endete die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht. Es hörte zwei Theologen als Sachverständige an, darunter den katholischen Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger. Er hält Latzels Äußerungen von der Bibel grundsätzlich gedeckt; diese sehe Homosexualität als Sünde. Dagegen betonte die evangelische Bochumer Theologin Isolde Karle, die Bibelzitate müssten aus dem damaligen gesellschaftlichen Kontext verstanden werden. Das Verhalten des Pastors sei “professionsethisch untragbar”. Die Verteidigung setzte daraufhin ihre Ablehnung als Gutachterin durch.
Richter Hendrik Göhner begründete den Freispruch damit, dass Latzel nicht zwangsläufig zum Hass angestachelt habe. Zwar könne man seine Worte in diese Richtung verstehen. Aber es gebe zumindest eine Deutungsmöglichkeit, die zur Straflosigkeit führe. An Latzel gewandt sagte er aber auch: “Diese Äußerungen sind in gesellschaftlicher Hinsicht mehr als befremdlich – insbesondere in so einem hohen Amt, das Sie bekleiden.” Sie trügen nicht zu einem guten gesellschaftlichen Miteinander bei. Man könne dieselbe Position auch weniger scharf formulieren.
Mit ihrer Revision gegen den Freispruch hatte die Staatsanwaltschaft Erfolg. Das Oberlandesgericht befand, dass die Vorinstanz ihr Urteil lückenhaft begründet habe; wesentliche Aussagen beim Eheseminar seien darin nicht enthalten. Für diese Sicht zeigte Latzels Verteidiger wenig Verständnis: “Es drängt sich der Eindruck auf, dass es sich um ein politisches Verfahren handelt.” Nun wird der Fall vor einer anderen Kammer des Landgerichts neu verhandelt. Ergebnis offen. Angesetzt sind zunächst vier Verhandlungstage.