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Viel Kritik an Vorstößen der Union zur Migrationspolitik

Mit dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg ist die Migrationspolitik zum Hauptthema im Wahlkampf geworden. Die Union will Gesetze rasch verschärfen. Nicht nur die Kirchen warnen vor möglichen Folgen.

Die Vorstöße der Union für eine Verschärfung der Migrationspolitik rufen bei Kirchen und Menschenrechtlern deutliche Kritik hervor. “Zeitpunkt und Tonlage der aktuell geführten Debatte befremden uns zutiefst”, schreiben die beiden Berliner Vertreter der großen Kirchen an die Fraktionen im Bundestag. Die Debatte sei geeignet, “alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren”. Sie trage nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei.

Die Union will im Bundestag Verschärfungen in der Migrationspolitik durchsetzen. Offen ist, ob sich hierfür im Parlament Mehrheiten finden. SPD, Grüne und Linke lehnen die Vorschläge ab, damit wären Stimmen der AfD nötig. FDP und BSW signalisierten Zustimmung zum sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz, über das der Bundestag am Freitag entscheiden soll. Es sieht unter anderem vor, dass der Familiennachzug bei bestimmten Personen beendet werden soll.

In den beiden Anträgen, die am Mittwoch zur Abstimmung gebracht werden sollen, spricht sich die Union für dauerhafte Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen aus – auch für Schutzsuchende. Geplant sei ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne gültige Papiere sowie Abschiebehaft für Ausreisepflichtige.

Anne Gidion als Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche und Karl Jüsten als Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe wiesen auf eine Übereinkunft der Fraktionen hin, wonach sie nach der Ampelkoalition keine Abstimmung herbeiführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien. “Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird.”

Inhaltlich kritisieren die Vertreter der Kirchen, dass manche Vorschläge ihrer Auffassung nach “rechts- bzw. verfassungswidrig sind oder geeignet erscheinen, die Grundpfeiler der Europäischen Union zu erschüttern”. So verstießen etwa dauerhafte Grenzkontrollen und eine Abweisung von Schutzsuchenden an Deutschlands Grenzen gegen geltendes EU-Recht. Eine dauerhafte Inhaftierung von Ausreisepflichtigen verstoße gegen verfassungsrechtliche Garantien.

Die von der Union vorgeschlagenen Verschärfungen seien zudem nicht zielführend, um Taten wie den tödlichen Messerangriff auf eine Kita-Gruppe in Aschaffenburg oder den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg zu verhindern. Die Taten seien “von offensichtlich psychisch kranken Personen begangen” worden und zeigten “ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker”.

CDU-Vize Karin Prien verteidigte die geplante Verschärfung. Mit dem für “christlich” stehenden “C” wolle man nicht zum Ausdruck bringen, “dass wir immer eins zu eins mit den Kirchen einer Meinung sind”, sagte Prien im Deutschlandfunk. Politik auf Grundlage eines christlichen Menschenbildes bedeute auch, “dass wir weiter Menschen, die Schutz brauchen und die in Not sind, auch in Deutschland Aufnahme gewähren wollen”. Derzeit funktioniere das Asylsystem jedoch nicht. Daher seien Änderungen notwendig.

Kritik an den Plänen kam auch von Menschenrechtlern. Die Organisation Pro Asyl warf Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) vor, “die Fundamente Deutschlands und der EU zur Disposition zu stellen: das Grundgesetz, die EU-Charta der Grundrechte, das Unionsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention”. Die Union nehme dabei das Leid der Geflüchteten bewusst in Kauf – auch das Leid von Kindern mit ihren Familien. Das Deutsche Institut für Menschenrechte warnte ebenfalls vor einem möglichen Rechtsbruch.