Das Bundesverfassungsgericht nimmt den weltweiten Einsatz von US-Militärdrohnen ins Visier. Gesteuert über den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. Die Bundesregierung warnt vor weitreichenden politischen Folgen.
Das Bundesverfassungsgericht muss über eine Verfassungsbeschwerde entscheiden, die weitreichende Grundfragen zur gezielten Tötung durch Kampfdrohnen des US-Militärs aufwirft. Letztlich geht es auch um die militärische Einbettung Deutschlands in die Nato und um verfassungsrechtliche Grundfragen zur Wirkmächtigkeit des Grundgesetzes auch außerhalb der deutschen Grenzen.
In der mündlichen Verhandlung des Verfassungsgerichts am Dienstag warfen die Kläger der Bundesrepublik vor, der Steuerung von bewaffneten, unbemannten Flugkörpern über den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz tatenlos zuzusehen. “Die Airbase Ramstein ist für das US-Militär ein unverzichtbarer Knotenpunkt für willkürliche Drohneneinsätze im Mittleren und Nahen Osten”, sagte der Anwalt der Beschwerdeführer, Andreas Schüller. Deutschland trage eine Mitverantwortung für völkerrechtswidrige Tötungen.
Die Bundesregierung wies diese Argumentation zurück. Deutschland und seine militärischen Partner achteten das Völkerrecht. Gleichzeitig sei die Stationierung von US-Militär in Deutschland und Europa für eine “glaubwürdige Verteidigung und Abschreckung unverzichtbar”. Und vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine wichtiger denn je, sagte der Vertreter der Bundesregierung, Thomas Hitschler. Das Grundgesetz verpflichte Deutschland nicht dazu, die Einsätze von militärischen Partnern weltweit zu kontrollieren.
Der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, Sebastian Graf von Kielmansegg, wandte sich gegen die Verfassungsbeschwerde, weil durch sie eine “uferlose Ausdehnung” des Grundgesetzes drohe. “Die Folge könnte eine Klagebefugnis für Menschen aus Kriegsregionen weltweit und eine globale Einstandspflicht Deutschlands für militärisches Handeln von anderen Staaten sein.” Von Kielmansegg warnte vor einer “Form von Allzuständigkeit” und einer Überschätzung des deutschen Einflusses. Zudem drohe die Partnerschaft mit den USA und der Nato Schaden zu nehmen.
Dagegen argumentierte der Vertreter der Beschwerdeführer, Sönke Hilbrans, auch wenn Deutschland durch die Überlassung der Basis Ramstein an die USA Hoheitsgewalt an eine “fremde Macht” abgegeben habe, bleibe die Regierung dafür verantwortlich, was auf deutschem Staatsgebiet passiere.
Konkret muss das Verfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde von zwei jemenitischen Bürgern entscheiden. Sie geben an, dass bei einem US-Drohnenangriff in Jemen mehrere Mitglieder ihrer Familie getötet wurden, darunter ein jemenitischer Geistlicher. Bis heute lebten sie und ihre Familie weiter in ständiger Angst vor einem neuen US-Drohneneinsatz, sagte ihr Anwalt Schüller. Regelmäßig kreisten Drohnen über ihrer Heimatregion.
Die beiden Jemeniten argumentieren, die USA hätten bei dem Angriff im August 2012 völkerrechtswidrig fünf Zivilisten getötet. Die Getöteten seien keine islamistischen Terroristen gewesen. Vielmehr habe sich der getötete Geistliche der Organisation Al-Qaida entgegengestellt.
Die Drohnensteuerung sei technisch nur möglich gewesen, weil das Militär kurz zuvor mit Erlaubnis der Bundesrepublik eine neue Satelliten-Kommunikationsstation in der Airbase Ramstein aufgestellt habe, kritisierte der Anwalt. Über die Station steuere das US-Militär bis heute die Drohnen im Mittleren und Nahen Osten.
Seit 2014 hatten die Jemeniten, die weiterhin im Jemen leben, vor deutschen Verwaltungsgerichten gegen die Baugenehmigung für die Satellitenstation geklagt. Zunächst erhielten sie in Teilen recht, das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage aber ab.
Im Hintergrund des komplizierten Rechtsstreits steht auch die Frage, ob und wann im Ausland lebende Nichtdeutsche vor deutschen Gerichten auf die Einhaltung des Grundgesetzes klagen können. Und ob Deutschland eine weltweite Verantwortung für die Einhaltung des Grundgesetzes hat.
Die kritischen Nachfragen mehrerer Verfassungsrichterinnen und -richter machten deutlich, dass die Forderungen der Beschwerdeführer zu weitreichenden verfassungsrechtlichen Neubewertungen führen könnten. Mehrfach fragten sie nach, wo dann überhaupt noch Grenzen für die Geltung des Grundgesetzes wären.
Umstritten war auch, ob Deutschland überhaupt eine Mitverantwortung für die Drohneneinsätze habe, nur weil sie dem US-Militär die Basis Ramstein zur Verfügung stelle. Ein Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ist in einigen Monaten zu erwarten.