Die Weihnachtstage sind nicht in allen Familien ein Grund zur Freude. Gerade an den Festtagen droht eine Zunahme häuslicher Gewalt. Hohe Ansprüche an das Fest, Stress mit Geschenken und dem Essen, zu lange gemeinsam auf engem Raum, keine Möglichkeit zum Durchatmen können zur Explosion führen.
Doch häusliche Gewalt gibt es nicht nur an Weihnachten. Rund 240 000 Fälle wurden nach Zählung des Innenministeriums bundesweit im Jahr 2022 registriert, 133 Frauen sind von ihren Partnern getötet worden. In Niedersachsen sind es 2022 laut Sozialverbänden rund 27 000 angezeigte Fälle von Gewalt gewesen. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Annette Krämer: „Diese Zahlen sind ein Desaster“
Die Zahl der gemeldeten Fälle steigt, der Finanzierungsbedarf für Hilfsangebote auch. Zum sogenannten „Orange Day“ am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, mahnte der Sozialverband Deutschland in Niedersachsen deshalb einen Ausbau der Hilfe für betroffene Frauen an. Nur 2200 Plätze gebe es in den 45 Frauenhäusern in Niedersachsen. In Bremen müssen Betroffene von sexualisierter und häuslicher Gewalt aktuell bei einigen Einrichtungen bis zu zwölf Wochen auf einen Termin warten.
„Diese Zahlen sind ein Desaster“, sagte Annette Krämer vom Sozialverband. „In einigen Landkreisen wie Friesland, Holzminden, Wittmund oder Osterholz gibt es gar keine entsprechenden Einrichtungen.“
Zumindest in den Landkreisen Wesermarsch und Ammerland wurde diese Lücke jetzt mit einer Beratungsstelle geschlossen, die von den Kreisen und der Diakonie in Oldenburg eingerichtet wurde. Anonym können sich Frauen hier beraten lassen und Schritte aus dem gewalttätigen Umfeld heraus machen.
Hilfe auf dem Land muss anonym sein
„Wir haben durch die Arbeit des Frauenhauses gemerkt, dass eine psychosoziale Beratungsstelle für Mädchen und Frauen mit Gewalterfahrung fehlt“, sagt Franz-Josef Franke, Leiter des Kompetenzzentrums Gemeinwesenorientierte Diakonie in Oldenburg. Eine Traumafachberaterin bietet deshalb seit Ende November betroffenen Frauen bei regelmäßigen Terminen in Bad Zwischenahn, Brake und Westerstede Hilfe an.
Ein wichtiger Schritt. „Anders als in der Anonymität der Städte ist es in dünn besiedelten ländlichen Gegenden schwerer, eine Beratungsstelle zu finden. Auf dem Land ist das Hilfesystem ausgedünnter und schwerer zu erreichen“, sagt Ursula Braunewell vom Deutschen Landfrauenverband. „Auch liegt unter Umständen die Hürde noch höher für eine Frau, die Gewalt erlebt, die Polizei zu rufen. Das bekommen ja alle mit.“ Im schlimmsten Fall kenne man sogar die Polizisten. Auch deshalb vermutet sie eine hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt am ländlichen Raum.
In der neuen Beratungsstelle soll die Mitarbeiterin deshalb anonym bleiben und möchte sich auch nicht in der Zeitung dazu äußern, mit welchen Fragen die Frauen aus der Region gerade jetzt kurz vor Weihnachten zu ihr kommen. Von Gewalt betroffene Frauen sollen sich ohne Angst vor Tratsch in der Nachbarschaft und ohne Konsequenzen daheim an sie wenden können.
Schnelle Hilfe am Telefon für Opfer häuslicher Gewalt
Für Opfer häuslicher Gewalt gibt es als zentralen bundesweiten Anlaufpunkt ein Hilfetelefon, das vom Bundesamt für Familie betrieben wird. In 18 Sprachen, per Chat oder E-Mail können betroffene Frauen, aber auch Bekannte und Freunde sowie Fachpersonal Unterstützung bekommen. Die kostenlose Hotline ist rund um die Uhr besetzt und unter der Nummer 116 016 zu erreichen. 2022 gab es unter der Nummer rund 52 700 Beratungen, mehr als 4000 davon wurden mithilfe von Dolmetschern durchgeführt.
Weiterführende Informationen zu Hilfsangeboten unter www.hilfetelefon.de