An 10. Januar endet die Amtszeit von Venezuelas Machthaber Nicolas Maduro offiziell. Die Opposition beansprucht nach dem mutmaßlichen Wahlsieg die Präsidentschaft für sich; Maduro will sich trotzdem vereidigen lassen.
“Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass unser gewählter Präsident Edmundo Gonzalez vereidigt wird”, sagt Adriana Flores Marquez vor dem berühmten Obelisk in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires durch das Megafon. Sie ist Koordinatorin der venezolanischen Opposition in Argentinien. An diesem Nachmittag versammeln sich in vielen Städten Lateinamerikas, der USA und Europa Exil-Venezolaner und fordern in Sprechchören “Gerechtigkeit”.
Ihr Adressat: Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs. Er soll gegen den sozialistischen Machthaber Nicolas Maduro in Venezuela durchgreifen, fordern die Demonstranten: wegen Folter und Mord an Oppositionellen, wegen Wahlbetrug und Drogenhandel. So steht es in diesen Tagen auf Plakaten in Buenos Aires, Bogota, Miami und Berlin.
Denn die Uhr tickt: Am 10. Januar endet die aktuelle Präsidentschaft von Maduro. Der hat sich vor einigen Wochen zum Wahlsieger erklären lassen, obwohl die internationalen Wahlbeobachter betonen, es deuteten alle Indizien daraufhin, dass Oppositionskandidat Edmundo Gonzalez die Wahl klar gewonnen habe. Vermittler wie der kolumbianische Präsident Gustavo Petro oder Brasiliens Staatschef Lula da Silva forderten Maduro auf, die Wahlakten offenzulegen, die das tatsächliche Ergebnis dokumentieren. Doch Maduro weigert sich und bleibt bis heute den öffentlichen Beweis seines Sieges schuldig.
“Die politische Situation ist schrecklich”, sagt die wohl bekannteste venezolanische Menschenrechtsanwältin Tamara Suju im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Die systematische Unterdrückung und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben zugenommen anstatt abzunehmen. Die Verfolgung ist punktueller, geplanter.”
Suju hat in der Vergangenheit Fälle von Folter und Gewalt durch das Maduro-Regime dokumentiert und dem Internationalen Strafgerichtshof vorgelegt. In den sozialen Netzwerken folgen ihr Hunderttausende Menschen. “Das Vorgehen beweist, wie sehr das Regime darauf vorbereitet war, nach den Wahlen zu handeln”, sagt Suju. “Alles, was in Venezuela passiert – die Verfolgung der politischen Parteien, der Zeugen in den Wahllokalen, aller Personen, die in irgendeiner Weise bei der Entwicklung und Logistik der Wahlen geholfen haben, der Berichterstatter, der Journalisten, der Anwälte, die die Menschenrechte verteidigen – war schon im Vorfeld geplant.”
Die internationale Gemeinschaft müsse den Prozess gegen Maduro vor dem Internationalen Strafgerichtshof unterstützen, fordert die Juristin. Je mehr Vertragsstaaten des Römischen Statuts sich der Klage anschließen würden, desto mehr Druck werde auf den Internationalen Strafgerichtshof ausgeübt: “Es ist wichtig zu wissen, dass die internationale Justiz das Einzige ist, was Maduro fürchtet, weil er sie – anders als in Venezuela – nicht kontrollieren kann.”
Der weltweite Protest zeigt offenbar Wirkung. Am Montag forderte Chefankläger Khan öffentlich die Freilassung aller politischen Gefangenen in Venezuela. Oppositionsführerin Maria Corina Machado, die inzwischen im Untergrund in Venezuela lebt, sagte: “Wenn wir unsere Stimmen vereinen, innerhalb und außerhalb Venezuelas, dann hört die Welt zu und reagiert.”
Maduro selbst geht derweil auf die USA zu. Das “Wall Street Journal” berichtet, er habe der künftigen US-Administration unter Präsident Donald Trump ein Angebot gemacht. US-Konzerne könnten verstärkten Zugang zu den Vorkommen im ölreichsten Land der Welt bekommen, im Gegenzug würde das Regime die anhaltende Migration unterbinden.
Seit Maduros Amtsantritt 2013 sind wegen der massiven Repression und der schlechten Versorgungslage rund acht Millionen Menschen aus Venezuela geflohen; das entspricht einem Viertel der Gesamtbevölkerung. Nun hat der finale Kampf um die Macht in Venezuela begonnen. Maduro versicherte zuletzt, er werde sich auf jeden Fall vereidigen lassen. Sollte Gonzalez es wagen, nach Venezuela kommen, werde dieser sofort verhaftet.