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Trauer und Wut nach Anschlag in Magdeburg – Haftbefehl gegen Fahrer

Mindestens fünf Tote, dazu 200 Verletzte, viele in Lebensgefahr. Nach dem Anschlag am Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist die Trauer groß. Hass und Gewalt dürfen aber nicht gewinnen, finden Kanzler und Kirchen.

Nach dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat die Justiz Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Täter erlassen. Was den seit 2006 in Deutschland lebenden, islam-kritischen Arzt aus Saudi-Arabien zu dem Verbrechen bewegte, ist bislang nicht geklärt.

Unterdessen gedachten am Wochenende viele Magdeburger Bürger, die Spitzen der Bundes- und Landespolitik sowie die Kirchen der Opfer. In einem Kondolenztelegramm an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier brachte auch Papst Franziskus seine Anteilnahme zum Ausdruck und dankte den Helfern. Bislang sind beim dem Anschlag fünf Menschen ums Leben gekommen. Rund 200 wurden teilweise schwerstverletzt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief am Samstagabend am Tatort zu Zusammenhalt gegen Hass und Gewalt auf. “Wenn so ein schlimmes, furchtbares Ereignis geschieht, dann müssen wir als Land zusammenhalten, dass nicht der Hass uns bestimmt.” Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte es unvorstellbar, dass solch eine Tat in Deutschland in Friedenszeiten geschehen könne. Opfern und Angehörigen sicherte er Hilfe zu. Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz riefen zu Spenden für Opfer und Angehörige auf. Die Uniklinik in Magdeburg rief zu Blutspenden auf.

Nach dem Anschlag wird intensiv darüber diskutiert, ob der Weihnachtsmarkt ausreichend geschützt war. Zugleich berichten Medien, dass der 50-jährige Arzt mehreren Behörden bekannt war, weil er im Netz mehrfach mit Gewaltandrohungen aufgefallen war. Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagte im ZDF-“heute journal”, es gebe keinen Hinweis auf einen islamistisch motivierten Anschlag. Der mutmaßliche Täter hatte sich in Sozialen Medien als Islamkritiker geäußert. Außerdem hatte er den deutschen Staat kritisiert, vor einer Islamisierung des Landes gewarnt und die AfD sowie Elon Musk gelobt.

Die beiden großen Kirchen bekundeten ihre Trauer und riefen zu Hilfe und Gebet für die Angehörigen und die Opfer auf. “Unsere Gedanken und Gebete sind in diesen Stunden in Magdeburg”, erklärten die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Sie dankten den Einsatzkräften und Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern.

Mehrere hundert Menschen gedachten am Samstagabend im Magdeburger Dom der Opfer. Am Ökumenischen Gottesdienst nahmen auch Steinmeier, Scholz und Haseloff teil. Hunderte Menschen verfolgten auf dem Domplatz bei Kälte und Regen das Gedenken via Leinwand. Um 19.04 Uhr, exakt 24 Stunden nach der Tat, läuteten alle Km irchenglocken der Stadt. “Außerdem wurde am Westportal der Johanniskirche in der Nähe des Tatorts eine Gedenkstelle eingerichtet. Auch die katholische Kathedrale Sankt Sebastian war geöffnet als Raum zum Innehalten und Gedenken. Zugleich gab es am Samstagabend in der Magdeburger Innenstadt aber auch rechte Parolen. Mehrere Hundert Rechtsradikale versammelten sich nach Angaben der Polizei.

“Traurig und wütend, ratlos und ängstlich, unsicher und verzweifelt, sprach- und fassungslos und tief betroffen lässt uns der brutale Anschlag vom gestrigen Abend zurück”, sagte der katholische Bischof Gerhard Feige zum Auftakt des Gottesdienstes. Hass und Gewalt dürften nicht das letzte Wort behalten.

Der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer sagte in seiner Predigt: “Wir sind erschüttert und fragen uns: Gibt es noch einen sicheren Ort, einen Friedensort?” Gewalttäter setzten sich auf “den Thron der Aufmerksamkeit”, so Kramer weiter: “Lasst uns diesem Gewalttäter keinen Raum geben.”

Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober, rechnet mit mehreren Hundert Hilfsbedürftigen. “Das ist einer der größten Anschläge, die wir bisher zu verzeichnen hatten”, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Unterdessen berichtete die “Bild”-Zeitung, dass der Innenausschuss des Bundestags vermutlich noch am 30. Dezember zu einer Sondersitzung wegen des Anschlags zusammenkommen soll. Zeitgleich solle auch das Parlamentarische Kontrollgremium tagen, das die Nachrichtendienste des Bundes kontrolliert. Neben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sollen auch die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesverfassungsschutzes und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie die zuständige Landesinnenministerin Tamara Zieschang aus Sachsen-Anhalt vorgeladen werden.