Nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern wird es immer deutlicher: Die Parteien-Landschaft und die Gesellschaft im Land verändern sich. Politische Diskussionen werden rauher, der Umgangston im Internet ist zum Teil unerträglich. Menschen verlieren immer mehr die Hemmung, fremdenfeindliche Parolen offen zu äußern. Es braucht Visionen gegen eine weitere Spaltung der Gesellschaft.
Große Veränderungen sind in vielen europäischen Ländern zu beobachten. Auch das Votum der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union gehört sicher dazu. Es stellt sich die Frage nach den Motiven der Menschen, die sich solchen Bewegungen zu- und von den etablierten Parteien abwenden. Manche Experten sehen in der Globalisierung die Ursache. Internationale Verflechtungen schüren Ängste. Vielleicht lässt sich so auch der Zuspruch zu Donald Trump in den USA erklären.
Der britische Sozialwissenschaftler Alexander Betts brachte es kürzlich auf den Punkt: „Die Trennlinie in politischen Fragen verläuft zwischen denen, die die Globalisierung umarmen und den anderen, die sie fürchten.“ Laut Umfragen lagen die Ursachen für den Brexit in zwei Themen: Einwanderung und Souveränität. Betts sieht darin den Wunsch der Menschen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen und das Gefühl, dass Politiker ihre Interessen nicht mehr vertreten.
Die Protestwähler repräsentieren dabei einen neuen Nationalismus, den viele andere entschieden ablehnen. Oftmals zeigt sich dabei ein Stadt-Land-Gefälle und ein unterschiedlicher Zugang zu Bildung und Entwicklungsmöglichkeiten.
Nicht jeder sieht die Chancen der Globalisierung. Zuwanderung etwa hat in der Regel positive Folgen für eine Gesellschaft. Dennoch besteht die Sorge, dass das Lohnniveau sinken, das Sozialsystem zu sehr belastet oder Wohnraum knapp werden könnte.
Wie können also offene und tolerante Gesellschaften gestärkt werden? Internationale Beziehungen bringen zwar freien Handel, Reisefreiheit und Frieden, aber es gibt Gewinner und Verlierer. Die Globalisierung darf keinesfalls nur einer Elite Vorteile bringen. Dazu ist Bildung wichtig.
So wird etwa die Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen immer wieder durch Unkenntnis gespeist. Experten halten es zudem für nötig, dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen viel mehr miteinander in Kontakt kommen. Nicht nur in Deutschland haben die Regionen mit den meisten Flüchtlingen die größte Toleranz diesen gegenüber. Und umgekehrt.
Menschen müssten mehr aufeinander hören und voneinander lernen. Auch darf die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter aufgehen. Gesellschaften, die hier auseinanderdriften, sind weit weniger liberal. Und letztlich sollten Politik und Medien durch ihre Sprache Toleranz statt Angst vermitteln. Rassismus und Hass können mit all dem nicht entschuldigt werden. Aber es ist wichtig, dass sich nicht ganze gesellschaftliche Gruppen abgehängt fühlen und so die Demokratie vergiften.
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Toleranz statt Angst
Viele Menschen misstrauen Europa und den politischen Eliten. Etliche suchen Heil in der Nation. Gegen die Spaltung der Gesellschaft helfen Bildung und eine gerechte Sozialpolitik