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Tödlicher Drogenrausch – immer mehr junge Menschen Opfer

Experten sind alarmiert über Anstieg der Zahl der Drogentoten. Bei einem Jahrestreffen in Mannheim wurden konkrete Forderungen an die neue Bundesregierung gestellt. Prävention dürfe nicht von der Finanzlage abhängen.

Suchtexperten schlagen Alarm – denn die Zahl der Drogentoten steigt weiter. Der Trend beunruhigt die Fachleute, die jetzt zu ihrem Bundeskongress in Mannheim zusammengekommen sind. “Besonders erschreckend: Unter den Toten sind immer mehr junge Menschen”, betonte Eva Egartner, Geschäftsführerin des Fachverbands Drogen- und Suchthilfe, bei der an diesem Mittwoch endenden Veranstaltung in Mannheim.

Im Fachverband Drogen- und Suchthilfe (fdr+) sind 67 Träger mit mehr als 350 Einrichtungen Mitglied. Laut Egartner liegen bundesweite Zahlen für 2024 und 2025 zwar noch nicht vor, es gebe aber Hinweise aus einzelnen Bundesländern, und danach zeigt die Kurve weiter nach oben. Nach ihren Aussagen hat sich die Zahl der drogeninduzierten Todesfälle in Deutschland von 1.002 im Jahr 2013 auf 2.227 im Jahr 2023 mehr als verdoppelt.

Was relativ neu sei: Immer häufiger sind Jugendliche und junge Erwachsene unter den Toten. In Baden-Württemberg beispielsweise waren im vergangenen Jahr elf der 195 Drogentoten Heranwachsende und zwei Jugendliche. In Hamburg seien 2024 drei der Drogentoten jünger als 20 gewesen.

Einer der Gründe für die steigende Zahl junger Drogentoten sind nach Ansicht von Fachleuten die neuen psychoaktiven Substanzen, auch Designerdrogen genannt. Sie werden vornehmlich in China und Indien chemisch im Labor hergestellt oder vorproduziert. Besonders junge Menschen würden die Gefahr dieser Substanzen häufig unterschätzen, sagte Egartner. “Die Konsumentinnen und Konsumenten wissen nicht, was sie einnehmen, es herrscht eine große Drogennaivität.”

Laut dem Europäischen Drogenbericht 2024 stellten die EU-Mitgliedstaaten 2022 eine Rekordmenge von rund 31 Tonnen dieser “Designerdrogen” sicher, darunter synthetische Cannabinoide, das wie unverfälschter Cannabis aussieht, aber eine hochwirksame Substanz ist, die zu schweren Vergiftungen führen kann.

Auch synthetische Opioide wie Fentanyl gelten als neue und wachsende Bedrohung, es reichen geringe Mengen aus, um eine große Zahl typischer Straßendosen herzustellen. Ihre Wirkung: potenziell lebensbedrohlich.

“Die Befürchtung ist, dass mit dem Verbot der Opiumproduktion in Afghanistan durch die Taliban die Heroinlieferungen nach Europa zurückgehen und synthetische Opioide als Ersatzdrogen verwendet werden”, warnt Philip Gerber vom Mannheimer Drogenverein, der auch im Vorstand des Fachverbands Drogen- und Suchthilfe aktiv ist.

Von der neuen schwarz-roten Koalition in Berlin fordern die Experten einen stärkeren Fokus auf Suchtprävention. Nach wie vor entscheide die Kassenlage vor Ort, ob Programme oder Projekte für Präventionsarbeit etwa an Schulen aufgelegt oder wieder gekürzt werden. “Suchthilfe und Suchtprävention sind keine regelhaften Leistungen, sondern Goodies, eine Zugabe, die sich die eine Kommune leistet, die andere nicht”, übt Egartner deutliche Kritik an der Drogenpolitik von Ländern und dem Bund.

Ferner verweisen die Fachleute auf eine Reihe von Maßnahmen, die wissenschaftlich evaluiert seien und sich in anderen Ländern bereits als wirkungsvoll erwiesen hätten. Diese müssten endlich auch in Deutschland umgesetzt werden. Dazu zählten zum Beispiel Drogenkonsumräume, über die laut den Fachleuten jede größere Stadt verfügen sollte, um einen sicheren und sterilen Konsum zu ermöglichen, Überdosierungen erkennen zu können und niedrigschwellig die Menschen zu erreichen – und sie im besten Fall zu beraten.

Das Notfallmedikament Naloxon, das bei lebensbedrohlichen Überdosierungen angewendet wird, sollte auch Laien, Familienangehörigen und Freunden von Opioid-Konsumenten, zugänglich gemacht werden, damit diese schnell eingreifen könnten, so die Forderung. Auch müsse es in jedem Rettungs- und Polizeiwagen vorhanden sein.

Daneben sei Drug Checking, die kostenlose und straffreie Untersuchung von illegalen Drogen, eine wirksame Methode, um dem Konsum gefährlicher Substanzen entgegenzuwirken. “Hier gibt es teils eine Hängepartie auf Landesebene”, bedauert Gerber. 2023 hatte der Bundestag eine bundesweite Regelung zu Drug-Checking-Modellen beschlossen. Nun liegt es an den Bundesländern, entsprechende Verordnungen zu erlassen. Ansonsten sind den Suchtberatungsstellen laut Gerber die Hände gebunden. “Wir brauchen die gesetzliche Grundlage, um Angebote zur Drogenkontrolle machen zu können.” Und so zu verhindern, dass die Zahl der Drogentoten weiter steigt.