In Deutschland sind rund 300 Theater statistisch erfasst. Die tatsächliche Zahl der Spielstätten dürfte aber noch größer sein. Die neue Spielzeit startet mit kreativen Programmen – und finanziellen Sorgen.
Zu Beginn der neuen Spielzeit sehen sich die über 300 Theater in Deutschland vor großen Herausforderungen. “Wir leben in Zeiten multipler Krisen, bedingt durch die Pandemie, den Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Energiekrise, die Inflation, den Nahost- Konflikt”, sagte die geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, Claudia Schmitz, am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Köln. “Diese Krisen haben unmittelbare Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und ihren Zusammenhalt, aber auch auf die finanzielle Situation der Länder und Kommunen. Vor diesem Hintergrund verschlechtern sich die finanziellen Rahmenbedingungen für die Theater und Orchester zunehmend.”
Auf der einen Seite stünden nachvollziehbare Forderungen der Beschäftigten nach gleicher Bezahlung und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, erläuterte Schmitz. Auf der anderen Seite würden Tarifsteigerungen für die Beschäftigten in den Theatern und Orchestern von den Trägern nicht mehr übernommen, Zuwendungen eingefroren oder gekürzt, dringend notwendige Sanierungen der Theatergebäude und Konzerthäuser gestoppt.
Ähnlich äußerte sich die Intendantin des Theaters Konstanz, Karin Becker. Sie warnte vor weiteren Finanzkürzungen. “Ich bin sicher, dass in den kommenden Jahren nicht beim Militär oder bei den Autobahnen gespart werden wird, sondern bei der Kultur, bei Bildung und beim Sport.” Das sei eine fatale Fehlentscheidung mit dramatischen gesellschaftlichen Folgen, so Becker gegenüber der KNA.
Das Theater Konstanz hat die aktuelle Spielzeit mit dem Motto “Hoffnung Radikal” überschrieben. Am Deutschen Nationaltheater in Weimar lautet die Parole “Kostbare Zuversicht”. Der dortige Intendant Hasko Weber äußerte sich kritisch zu Debatten um moralische und ethische Leitplanken, die zur Bedingung von Kulturförderung gemacht würden. Als Beispiel nannte er in einem Interview der KNA die Antisemitismusklausel. “Das ist aus meiner Sicht ein Eingriff in die Freiheit der Kunst.”
Lege man gesetzlich fest, was zugelassen werde und was nicht, könnten diese Regeln unter veränderten politischen Vorzeichen anders festgeschrieben werden und restriktiver ausfallen, gab Weber zu bedenken. “Und das halte ich für brandgefährlich.” In Ungarn und Polen etwa seien solche Prozesse in kürzester Zeit abgelaufen und hätten die gesamte Kulturlandschaft verändert.
Mit Sorge blickt der Deutsche Bühnenverband unterdessen auf die Wahlerfolge der AfD. “Die jüngsten Landtagswahlen werden im Ergebnis dazu führen, dass Fragen nach der Notwendigkeit von geförderter Kunst und Kultur lauter werden. Gekoppelt an die beschriebenen finanziellen Probleme entsteht daraus eine Argumentationslinie, die ein größer werdender Teil der Gesellschaft demokratiegefährdend zu nutzen weiß”, sagte Schmitz. Umso wichtiger sei ein klares Bekenntnis der Politik zur Freiheit der Kunst und zur Sicherung ihrer Rahmenbedingungen.