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Tesla in Grünheide: Wie die Kirche mit ihrem neuen Nachbarn lebt

In Grünheide steht der finanzielle Aufschwung durch Tesla überlasteten Mitarbeitern, Naturschäden und Elon Musks politischen Eskapaden gegenüber. Ein Gespräch mit zwei Pfarrern vor Ort.

Das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin ist die größte E-Auto-Fabrik Deutschlands
Das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin ist die größte E-Auto-Fabrik DeutschlandsImago / Joko

Vor drei Jahren wurde die Tesla Gigafactory in Grünheide eröffnet. Wie hat sich das Leben in Grünheide verändert?
Jens Mruczek:
Das Leben selbst hat sich wohl kaum verändert, auch wenn die Stimmung angesichts größerer Proteste und einer ausgeprägten Polizeipräsenz teilweise sehr angespannt war. Die mediale Berichterstattung hat zu einer stärkeren Sensibilisierung für das Thema geführt, auch wenn aus meiner Sicht viele die Augen vor der Problemlage eher verschließen. Deutlich zugenommen hat der Verkehr und die sich daraus ergebenden Belastungen für die Menschen.

Patrick Holschuh: Direkt im Ort bekommt man von Tesla unverändert kaum etwas mit; präsent ist Tesla am Bahnhof Fangschleuse: negativ durch die Rodungen von Bäumen, positiv durch seine Mitarbeiter, die Internationalität nach Grünheide bringen. Positiv bemerkbar machen sich natürlich die gestiegenen Steuereinnahmen, die am Ort zu spüren sind. So gibt es beispielsweise nun auch ein Ortsteilbudget, über das jeder Ortsteil selbst verfügen kann.

Jens Mruczek (li.) und Patrick Holschuh sind Pfarrer in der Region der Tesla-Gigafactory
Jens Mruczek (li.) und Patrick Holschuh sind Pfarrer in der Region der Tesla-GigafactoryUli Schulte Döinghaus

Wie werden Schlagzeilen rund um Tesla und Elon Musk vor Ort aufgefasst?
Jens Mruczek:
Aus der Region und unserer Gemeinde gibt es kaum Menschen, die bei Tesla arbeiten, auch auf den Straßen sieht man wenige Tesla-Autos. Nach meiner Wahrnehmung ist die öffentliche Befürwortung von Tesla durch das politische Handeln von Elon Musk zurückgegangen. Es gibt kaum noch „Tesla-Fans“, die das auch öffentlich kundtun.

Patrick Holschuh: Die Abholzung der Bäume wird von einem Teil der Grünheider sehr bedauert. Dass es generell gut ist, dass hier Arbeitsplätze in großem Maße entstanden sind, wird von einem anderen Teil unverändert hervorgehoben. Beliebt ist Tesla nur bei wenigen. Die anstehende Verlegung des Bahnhofs kommt bei den Grünheidern nicht gut an, da er dann zwei Kilometer weiter entfernt liegt.

Seitdem sich Elon Musk für Donald Trump einsetzt, gibt es in Deutschland immer weniger Tesla-Fans
Seitdem sich Elon Musk für Donald Trump einsetzt, gibt es in Deutschland immer weniger Tesla-FansImago / Abacapress

Welche Rolle spielt Tesla in der Kirchengemeinde?
Jens Mruczek:
Wir haben hier unterschiedliche Positionen, die ja durchaus auch dem Stimmungsbild der Gesellschaft entsprechen. Ich bin im Kontakt mit Personen und Initiativen, die Tesla gegenüber sehr kritisch sind. Nach meinem Eindruck würde uns allen das Gespräch miteinander guttun, um auch Verständnis für die Position der beziehungsweise des anderen aufzubringen. Ich denke, dass wir als Kirche uns hier gut einbringen können, gerade weil wir unterschiedliche Ansichten haben.

Patrick Holschuh: Bei den Veranstaltungen unserer Kirchengemeinde stehen tagespolitische Themen in der Regel nicht auf der Agenda. Das deckt sich auch mit dem Wunsch der Gemeindeleitung. Ich trage mich mit dem Gedanken, im Rahmen der Initiative „Verständigungsorte“ Gespräche zu aktuellen Themen zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen zu initiieren. Tesla könnte ein Thema sein, aber nur eins unter anderen. Aktuellen Gesprächsbedarf sehe ich dazu nicht mehr. Die radikalen Protestgruppen haben Grünheide wieder verlassen, eine Verbindung zwischen ihnen und der örtlichen Bevölkerung konnte ich nur wenig sehen. Auch stehen – soweit ich das sehe – aktuell keine weiteren Entscheidungen an. Langer Rede kurzer Sinn: Bisher bleibt das Thema eher außen vor.

Sie beide haben sich vor einem Jahr hier zu Tesla geäußert. Sie, Herr Holschuh, begrüßten damals das Unternehmen vor Ort. Sie, Herr Mruczek, haben besonders die Probleme in den Blick genommen. Haben sich Ihre Haltungen geändert?
Jens Mruczek:
Meine Kritik an Tesla und Musk sehe ich nach wie vor als gerechtfertigt an. Durch die Polarisierung, die Elon Musk auch in den Bundestagswahlkampf gebracht hat und sein politisches Engagement in den USA, würde ich diese heute noch deutlicher vorbringen. Die befürchteten Umweltprobleme und die fehlenden Rechte der Mitarbeitenden sind ja keineswegs gelöst.

Patrick Holschuh: Grundsätzlich begrüße ich es nach wie vor, dass sich ein großes Unternehmen wie Tesla hier in Grünheide niedergelassen hat. Kritischer bin ich gegenüber dem Umgang mit den Mitarbeitern geworden und mit Sorge beobachte ich Elon Musks eigene politische Agenda.

Jens Mruczek und Patrick Holzschuh sind Pfarrer der evangelischen Gesamtkirchengemeinde an Löcknitz und Spree.