Pro: Nein zu Tesla wäre ein Bärendienst
Patrick Holschuh: Die geplante Erweiterung des Fabrikgeländes von Tesla und die damit einhergehende Rodung von Wald hat die Gemüter in Grünheide und darüber hinaus erhitzt und Protestgruppen auf den Plan gerufen, die sich „Tesla stoppen“ und „Tesla den Hahn abdrehen“ auf die Fahnen geschrieben haben. Ein radikales Nein zu Tesla und zu einer Erweiterung würden der Region und dem Klima allerdings einen Bärendienst erweisen. Das Umweltbüro der Landeskirche wertet E-Mobilität als einen „konkreten Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung“. Wer diesem Gedanken folgt, kann sich nur schwer gegen die Produktion von E-Autos aussprechen.
Mehr Fläche ist nötig, um einen Güterbahnhof zu bauen, der eine wirkliche Entlastung für die Bevölkerung darstellen würde, die unter dem stark angestiegenen LKW-Verkehr ächzt. Zum anderen würde er einer jahrealten Forderung der Umweltbewegung Rechnung tragen, nämlich Güterverkehr von der Straße auf die Schienen verlegen.
Braunkohlebergbau verbraucht mehr Wasser
Wer den hiesigen Wald, eine Nadelbaum-Monokultur, mit nüchternem Blick betrachtet, wundert sich über die Hochstilisierung des Baumbestands zum „Wasserwald“. Dass die Rodung mit einer Aufforstung an anderer Stelle mit hochwertigem Mischwald vertraglich einhergeht, ist ein klimatechnischer Gewinn. Nun liegt die Fabrikfläche im Wasserschutzgebiet, allerdings ist dort Bauen nicht untersagt. Warum sollten für Tesla also andere Regelungen gelten? Dass von staat -lichen Stellen auf die Einhaltung der geltenden Umweltschutzmaßnahmen bei Tesla geachtet und sie durchgesetzt werden müssen, versteht sich von selbst.
Das Wasser spielt in der Debatte überhaupt eine große Rolle. Ein kritischer Vergleich mit anderen Industriezweigen erdet die Diskussion allerdings. Der Brandenburger Braunkohlebergbau, ein fraglos klimaschädlicher Industriezweig, verbraucht beispielsweise jährlich rund 80 Mal so viel. Dass Tesla zudem an einem geschlossenen Wasserkreislauf arbeitet, scheint überhört zu werden.
Größter Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb für die Region
Neben der ökologischen Verträglichkeit gilt es, wie auch wirtschaftsethische Wortmeldungen aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hervorheben, die soziale Gerechtigkeit im Blick zu haben. Es ist daher nicht gering zu schätzen, dass wir mit Tesla und seinen mehr als 12000 Beschäftigten den größten industriellen Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb Brandenburgs für unsere Region gewonnen haben. Dass Menschen vor Ort eine berufliche Perspektive haben und aus über 40 Nationen nach Brandenburg kommen, halte ich für überaus wichtig zur Weiterentwicklung der Region in einer global vernetzten Welt.
Eine so große Veränderung, wie sie eine „Gigafactory“ und ihr Ausbau mit sich bringen, ist fraglos eine Herausforderung für die Bevölkerung vor Ort und in Brandenburg. Sie mutig zu gestalten und nicht einfach blockieren zu wollen, erscheint mir das Gebot der Stunde zu sein.
Kontra: Tesla bedroht Gottes Schöpfung
Jens Mruczek: „Does it seem like a desert here?“ – „Sieht das hier aus wie eine Wüste?“, so fragte Elon Musk bei einem Presseauftritt in Grünheide im Jahr 2021 und lachte laut über die kritische Frage einer Journalistin zur befürchteten Wasserknappheit in der Region. Nein, Grünheide sieht nicht wie eine Wüste aus (obwohl die gerodeten Waldflächen durchaus daran erinnern), aber dennoch ist die Ignoranz und Arroganz, mit der die berechtigten Sorgen um das Wasser schon während der Entstehung der sogenannten Gigafactory weggelacht wurden, unerträglich.
Als Christin und Christ zu leben, heißt auch, Verantwortung zu übernehmen und in Bezug auf Tesla in Grünheide stellen sich drei große Herausforderungen zur Verantwortungsübernahme.
Angefangen von der Rodung bestehender Waldflächen und der damit einhergehenden Zerstörung des vorhandenen Ökosystems über die drohende Wasserknappheit in der Region, bis hin zu den Schadstoffen im Grundwasser mit bislang ungeahnten Folgen für die Trinkwasserversorgung: Gottes Schöpfung wird durch Tesla und die Gigafactory bedroht, in Grünheide wie in den Ländern, aus denen die für die Batterien benötigten Rohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt stammen. Dies zu benennen und dagegen einzutreten gehört zur Verantwortung als Christenmensch. Die Gefahren zu ignorieren oder zu bagatellisieren ist verantwortungslos.
Arbeitsbedingungen bei Tesla fragwürdig
Ein weiterer Punkt ist die Verantwortung für die Menschen. Zum einen für diejenigen, die bei Tesla arbeiten. Die Berichte über mangelnde Arbeitssicherheit in Grünheide und die damit verbundenen Unfälle machen fassungslos. Hinzu kommen mangelnde Rechte für die Arbeitnehmer*innen in der Fabrik, wie der fehlende Tarifvertrag und der Druck auf die Beschäftigten, in immer weniger Zeit immer mehr zu produzieren. Zudem geht es auch um Verantwortung für Menschen in Entwicklungsländern, die unter teils menschenunwürdigen Bedingungen notwendige Rohstoffe abbauen müssen.
Schließlich geht es auch um eine Verantwortung für die Demokratie und das Gemeinwesen. Die Fälle, bei denen Tesla ohne Genehmigung baute und rodete, Schadstoffe einleitete und so weiter sind breit dokumentiert. Es entsteht hier für die Menschen zumindest ein gefühltes Ungleichgewicht: Ein milliardenschwerer Konzern darf gegen Auflagen und Gesetze verstoßen und wird trotzdem von der Politik hofiert. Dieses Gefühl, dass Geld und Gewinnstreben über den Bedürfnissen der Menschen stehen, ist schädlich für unsere Demokratie, die eben auf Vertrauen beruht, das enttäuscht, wenn es nicht sogar missbraucht wird.
Alles in allem wird deutlich: Verantwortung zu übernehmen, heißt, den Ausbau der Tesla-Fabrik zu verhindern, dafür einzutreten, dass die Umweltauflagen strikt eingehalten werden und dass die Rechte der Mitarbeitenden gewahrt werden – in Grünheide und weltweit.