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Syrien und Libanon konkurrieren um Wiederaufbauhilfen

Die Kriegsschäden in Nahost sind riesig. Aber woher kommen die Milliarden für den Wiederaufbau – und wer bekommt sie? Strategisch könnte Syrien für die Geberländer wichtiger sein als der Libanon.

Während die Waffenruhe im Südlibanon weitgehend hält und israelische Panzer weiterhin die Pufferzone zu Syrien besetzen, hat die Diskussion um den Wiederaufbau begonnen. Etwa 150.000 Häuser und Gebäude sollen nach Schätzung libanesischer Unternehmen und westlicher Hilfsorganisationen beschädigt worden sein, melden israelische Medien (Mittwoch). Aber auch in Syrien sind durch den “Blitzkrieg” der Rebellen und die israelischen Luftangriffe auf Stellungen und Waffendepots enorme Schäden entstanden. Beobachter schätzen, dass Syrien mit seinen Machthaber aus strategischen Gründen bevorzugter Adressat von internationalen Hilfen wird – und der Libanon zurückstehen dürfte.

Von den 150.000 beschädigten Häusern im Libanon sollen 50.000 komplett und 36.000 leicht zerstört sein, während die übrigen nur leicht beschädigt wurden. Der direkte Schaden soll sich auf sechs Milliarden US-Dollar belaufen. Hinzu kämen Einkommensverluste und entgangene Arbeitstage im Wert von weiteren sieben Milliarden. Unterstützung von der nur kommissarisch amtierenden Regierung in Beirut sei kaum zu erwarten, vermuten israelische Medien. Die Staatskasse sei leer. Sie muss überdies für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung aufkommen.

Die Hisbollah-Miliz hat sich Berichten zufolge erneut verpflichtet, jedem betroffenen Bürger eine Entschädigung zu zahlen – wie sie es bereits nach dem Libanonkrieg 2006 getan hatte. Aber diesmal sind die Schäden um ein Vielfaches größer. Und inwieweit der Iran, Schutzmacht der schiitischen Hisbollah, dem nachkommt, ist unklar.

Geberländer haben dem Libanon Berichten zufolge bislang 1,05 Milliarden Dollar Aufbauhilfe zugesagt. Davon sollen etwa 200 Millionen in die Ausbildung neuer Wehrpflichtiger für die libanesische Armee gehen, die gemäß dem Waffenstillstandsabkommen südlich des Litani-Flusses stationiert werden sollen.

Im nun zu erwartenden “Wettbewerb” zwischen Libanon und Syrien um Hilfe zur Finanzierung dürfte Syrien Beobachtern zufolge im Vorteil sein. Das unerwartet rasche Ende der Assad-Herrschaft gilt auch als Niederlage für die beiden Schutzmächte Iran und Russland.

Die “schiitische Achse” von Teheran über Damaskus bis zur Hisbollah wurde zerschlagen, und die Zukunft der russischen Präsenz im östlichen Mittelmeerraum ist fraglich. Gemeinsames Ziel der westlichen Länder – vor allem der USA – dürfte es sein, die Bindung der neuen Machthaber an den Westen und prowestliche arabische Staaten zu stärken. Zudem liegt es an Syrien, ob weiterhin Waffen, militärische Ausrüstung und Hilfen aus dem Iran zur Hisbollah im Südlibanon gelangen.