Artikel teilen:

Stuttgarter Stadtdekan sieht “Verrohung der Diskurskultur”

Auf den Straßen werde bei manchen Protestformen eine “Lust an der Provokation” deutlich, die etwas Kindisches habe, sagt der katholische Stadtdekan von Stuttgart. “Man randaliert sozusagen in der Demokratie herum.”

Der katholische Stadtdekan von Stuttgart, Christian Hermes, sieht in Blockaden von politischen Veranstaltungen durch wütende Bürger eine “Verrohung der Diskurskultur”. Diese Entwicklung aus den vergangenen Wochen beschädige die Demokratie tief, sagte Hermes am Donnerstagabend in der Sendung “Zur Sache Baden-Württemberg” im SWR-Fernsehen. Wegen massiver Proteste und Blockaden, unter anderem von Landwirten, hatten etwa die Grünen eine Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch in Biberach absagen müssen.

Hermes sprach den Polizistinnen und Polizisten, die in solchen Einsätzen “ihre Haut zu Markte tragen”, Respekt und Anerkennung aus. “Ich habe größte Bewunderung, dass sich Menschen finden, die diesen Dienst tun. Sie verteidigen an vorderster Front diese Demokratie”, sagte Hermes (53).

Auf den Straßen werde bei manchen Protestformen inzwischen eine “Lust an der Provokation” deutlich, die etwas Unreifes und Kindisches habe. “Man randaliert sozusagen in der Demokratie herum und hat eigentlich keine Lösung.” Dahinter stehe ein “geradezu übergeschnappter” Freiheitsbegriff und ein Missverständnis von Demokratie.

Hermes kritisierte, dass sich “Wutbürger” über die sozialen Medien in radikalen Auffassungen bestärkten und politische Entscheidungen unnötig skandalisierten. “Social Media funktionieren über Aufregung und Erregung und immer weiter hochgehypte Kontrastierung”, sagte der katholische Geistliche. “So können wir nicht weitermachen.”

Mit Blick auf die AfD sagte Hermes, er beobachte diese Partei seit zehn Jahren. “Sie radikalisiert sich immer weiter.” Es sei offenkundig, “dass wir es mit einer rechtsextremen und in großen Teilen faschistischen, menschenverachtenden Bewegung zu tun haben”, sagte Hermes. Eine Partei, die die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Grundwerte der Verfassung infrage stelle, sei “für Christen natürlich nicht wählbar”, betonte der Stadtdekan mit Bezug auf eine entsprechende Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz. “Eine völkisch-faschistische Denke, die ‘deutsche Bürger’ über ihre Genetik definiert, passt nicht zu unserer Verfassung”, sagte Hermes.

Er leite eine Kirchengemeinschaft in Stuttgart, “die zur Hälfte aus Migrantinnen und Migranten besteht”, sagte der Stadtdekan. “Wir lassen uns nicht auf unserer Gesellschaft herumtrampeln.”