Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber wirft dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vor, den Schutz des ungeborenen Lebens zu schwächen. In einer von der Bundesregierung angefragten Stellungnahme plädiert die EKD für eine “Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts” und eine “abgestufte Fristenlösung”.
Die Stellungnahme lasse “bewusst offen, wo – wenn nicht im Strafrecht – die Regelung über den Schwangerschaftsabbruch getroffen werden und wie auf andere Weise als durch das geltende Recht für hinreichenden Schutz des ungeborenen Lebens Sorge getragen werden” solle, kritisierte Hillgruber in der aktuellen Ausgabe des Informationsdienstes der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Ein Mindestmaß des gebotenen Schutzes dürfe nicht unterschritten werden, fügte der Vorsitzende der Juristenvereinigung Lebensrecht hinzu: “Hierzu zählt, dass der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen wird und demgemäß rechtlich verboten ist”. Daher könne nicht auf den Einsatz des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung verzichtet werden, wie das Bundesverfassungsgericht auch geurteilt habe.
Der Rechtsphilosoph ergänzte, eine vollständige Entkriminalisierung von Abtreibung könne nur dann in Betracht kommen, “wenn gleichzeitig an anderer Stelle der Rechtsordnung hinreichend deutlich ausgesprochen wird, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich verboten sind”. Das sei aber bei den Reformplänen der Bundesregierung “nicht einmal ansatzweise erkennbar”. Stattdessen werde ein grundsätzliches “Recht auf Abtreibung” propagiert, sagte Hillgruber, der seit 2002 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Bonn leitet. Seit 2016 ist der evangelische Christ auch Direktor des Instituts für Kirchenrecht.
Die Bundesregierung strebt eine Liberalisierung der Abtreibungsregelungen außerhalb des Strafrechts an. In dem Zusammenhang wurde eine “Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin” eingesetzt, die auch die Kirchen um Stellungnahmen gebeten hat.
Die EKD sieht in den Plänen der Bundesregierung eine “Fortschreibung einer gesellschaftlichen Entwicklung, die die Perspektive der schwangeren Person und ihre reproduktiven Rechte stärker in den Blick nimmt”.
Der Rat der EKD kann sich daher unter bestimmten Bedingungen eine Regelung außerhalb des Strafrechts vorstellen. Die Beratungsregelung soll aber beibehalten werden. Strafrechtlich sanktioniert bliebe die Spätabtreibung. Diese solle nur “in klar definierten Ausnahmefällen zulässig sein”, so das Papier. “Der Schutz des Lebens ist immer auch strafrechtlich bewehrt zu regeln, wenn er nicht leerlaufen soll”, hält die EKD fest.