Artikel teilen:

Sozialethiker: Leo XIV. wird ein politischer Papst sein

Welche Rolle wird die katholische Kirche unter dem neuen Papst spielen? Sie wird sich weiter auch politisch einmischen, glaubt und hofft Sozialethiker Emunds. Und blickt dabei auch auf die Debatten in Deutschland.

Der katholische Sozialethiker Bernhard Emunds ist überzeugt, dass Leo XIV. ein sehr politischer Papst sein wird. Schon die Namenswahl mit Bezug auf Leo XIII. und dessen Antworten auf die “Arbeiterfrage” Ende des 19. Jahrhunderts weise darauf hin, sagte Emunds der “Welt” (Freitag). Und neben diesen Bezügen zur katholischen Soziallehre werde der neue Papst – auch wegen seiner langen Zeit in Peru – sicher die Lebensperspektiven der Armen in Lateinamerika, Asien und Afrika in den Vordergrund stellen, fügte Emunds hinzu.

Er kritisierte in dem Zusammenhang US-Vizepräsident JD Vance und dessen Rede von einer abgestuften Nächstenliebe, der auch der Vatikan und Papst Leo XIV. lange vor seiner Wahl deutlich widersprochen hatten: “Zu sagen, dass das Gebot der Nächstenliebe nicht oder nur sehr eingeschränkt gegenüber Migrantinnen und Migranten gilt, die in unser Land kommen, geht an der ethischen Substanz des Evangeliums völlig vorbei.”

Auch die von Papst Franziskus forcierte Diskussion über ökologische Themen werde Leo XIV. fortführen, so Emunds weiter. Zumal Umwelt- und Klimafragen nicht von den sozialen Fragen getrennt werden könnten. Hinzu komme, dass der neue Papst schon direkt nach der Wahl auf die Veränderungen durch Künstliche Intelligenz (KI) als besondere Herausforderung verwiesen habe.

In der Tradition von Papst Franziskus, aber auch mit eigenen Akzenten habe Leo XIV. darüber hinaus das missionarische Element der Kirche betont. Das bedeute, so der Ethiker weiter, “dass die Kirche nicht in ihrem eigenen Saft schmoren, sondern sich um die Menschen kümmern, dass sie den Menschen die frohe Botschaft bringen soll”. Dazu gehöre untrennbar auch das Bemühen, die konkreten Lebensumstände der Menschen zu verbessern.

Mit Blick auf Deutschland ergänzte er, heute hänge ein großer Teil der Glaubwürdigkeit der Kirche am karitativen Handeln: “Die letzte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung etwa zeigt, dass auch diejenigen, die mit Kirche nichts mehr am Hut haben, finden, die Kirche solle sozial tätig sein und sich von dorther auch politisch äußern und den wirtschaftlichen und politischen Eliten ins Gewissen reden.”

In Deutschland zumindest sei die Nähe der Kirchen zur Politik deutlich geringer als früher, betonte Emunds: “Zugleich finde ich aber die öffentlichen Reaktionen auf den Tod von Franziskus interessant und ermutigend, wie übrigens auch den heftigen Widerspruch, den Julia Klöckner für ihre Kritik an politischen Wortmeldungen der Kirchen geerntet hat.”

Durch die Bank sei da zu hören gewesen, dass der Gesellschaft eine Kirche guttue, die sich auch politisch zu Wort meldet: “Sie hat nicht mehr ihren früheren Einfluss – und das ist ja vermutlich auch gut so! Aber man will ihre Stimme hören – eine relevante Stimme neben vielen anderen.”

Man könne die politische Rolle der Kirche in der Zivilgesellschaft mit der Aufgabe eines Beichtvaters oder einer geistlichen Begleiterin vergleichen, so Emunds: “Die machen ihre Aufgabe richtig, wenn sie den Leuten nicht reinreden, ihnen nicht sagen, wie sie zu leben haben. Entscheidungen müssen und wollen die Menschen selbst treffen. Aber sie können vielleicht einen Hinweis geben: ‘Hier in diesem Punkt scheint es ein Problem zu geben. Schau da vielleicht einmal genauer hin!’ Um mehr geht es nicht.”