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Schweitzer warnt vor Zuständen wie in Frankreich

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hat die politischen Kräfte in Deutschland zu einem anderen Debattenstil aufgerufen. Demokraten müssten immer so debattierten, dass sie mit ihrem Gegenüber auch nach einem hitzigen Wortgefecht hinterher noch ein Glas Wein trinken könnten, sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir müssen unbedingt beobachten, was zurzeit in Frankreich passiert.“ Im Nachbarland sei zu erleben, wie sich mittlerweile fast feindliche Parteiblöcke von rechts und links unversöhnlich gegenüberstehen.

Das Scheitern der Ampel-Regierung in Berlin sei in dieser Hinsicht besonders ärgerlich. Tatsächlich habe die Ampel mehr bewirkt, als gemeinhin wahrgenommen werde. „Wenn schon die eigenen Ampelpartner über ihre Regierung so schlecht reden, wird natürlich niemand bereit sein, auch die positiven Seiten zu sehen“, bedauerte Schweitzer.

Dass Politiker etablierter Parteien teilweise die Rhetorik von Populisten übernehmen, sieht der Mainzer Regierungschef kritisch. Über Themen wie Integration oder „illegale Migration“ müsse „ohne Schaum vor dem Mund“ gesprochen werden: „Die Wähler werden sagen: Wenn ihr auch so redet, dann nehmen wir doch lieber das Original.“ Populisten und Extremisten bekämen so das Gefühl, sie könnten den politischen Diskurs bestimmen.

Einen Grund für wachsende Polarisierung in der Gesellschaft und Skepsis gegenüber dem demokratischen System sieht Schweitzer in dem Gefühl vieler Menschen, ihnen fehlten „Leitplanken für festgefügte, klare Verhältnisse“, insbesondere in der Arbeitswelt. Einerseits sei die Individualisierung „Teil des Freiheitsversprechens“ demokratischer Gesellschaften: „Aber wo Menschen das Gefühl haben, sie sitzen auf einer Eisscholle, bewegen sich durchs Meer und links und rechts von ihnen ist nicht viel, führt das zu Vereinsamung und auch zum Rückzug aus dem Bekenntnis zum demokratischen System.“ Persönlich stimme ihn hoffnungsfroh, dass aktuelle Untersuchungen trotz aller Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung und um den Frieden in Europa weiterhin eine sehr große Zustimmung der Menschen zur Demokratie belegen.