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Schuster: Ich erkenne zuweilen Deutschland nicht wieder

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat das Abstimmungsverhalten der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen kritisiert. “Wenn es in der UN darauf ankommt, hat Deutschland ausgerechnet jetzt keine klare Haltung gegen die Relativierung des Hamas-Terrors”, sagte der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, zu “Bild” (Montag) mit Blick auf die Enthaltung Deutschlands bei der UN-Resolution für einen Waffenstillstand in Gaza.

Am Wochenende hatte auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, mit Blick auf das Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen erklärt, auf Deutschland sei “kein Verlass”. “Die klaren Bekenntnisse der Bundesregierung zum Recht Israels auf Selbstverteidigung passen nicht zu diesem Abstimmungsverhalten der Lauheit.” Deutschland hätte mit Nein stimmen sollen, sagte Beck.

Am Freitagabend hatten bei der Generalversammlung der UN 120 Staaten für eine Resolution gestimmt, die einen “sofortigen, dauerhaften und nachhaltig humanitären Waffenstillstand” im Gazastreifen fordert. Eingebracht worden war die Resolution von mehreren arabischen Staaten. 14 Mitgliedsstaaten hatten gegen die Resolution gestimmt, darunter Israel, Ungarn, Tschechien und Österreich.

Deutschland gehört zu den 45 Staaten, die sich enthielten. Man könne der Resolution nicht zustimmen, weil sie “den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nennt, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug fordert und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt”, erklärte das Auswärtige Amt.

Mit Blick auf antisemitische Tendenzen in Deutschland sagte Schuster weiter, die Entwicklung der vergangenen Wochen habe er so nicht erwartet. “Ich erkenne zuweilen dieses Land nicht wieder”, betonte Schuster. “Judenhass und Israelfeindlichkeit flammen in Deutschland wieder auf”, sagte der Zentralratsvorsitzende und fügte hinzu: “Offen auf den Straßen, in den Hörsälen oder Theatern, ob islamistisch, rechtsextrem, linksradikal oder woke.”

Der Begriff “woke” (“aufgewacht”) wurde ursprünglich gebraucht, um eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber Rassismus, Sexismus und sozialen Ungerechtigkeiten zu beschreiben. Er wird inzwischen aber von Kritikern auch als Begriff gebraucht, um ein solches Verhalten als moralische Besserwisserei abzustempeln.