Einsam steht ein Diesel-Panzer in der Völklinger Hütte. Er wurde umgebaut und umfunktioniert. Statt Stahl zieren ihn bunte Kirchenglasfenster aus Deutschland und Frankreich – genauer aus Hamburg, Erfurt, Frankfurt, Nîmes und Rennes. Gestaltet hat ihn das Kollektiv „Rocco und seine Brüder“. Unter dem Titel „Deus ex Machina“ ist der Panzer seit Sonntag in der siebten „Urban Art Biennale“ der Völklinger Hütte zu sehen. Als ein „leuchtendes Mahnmal“ bezeichnet es Kurator Frank Krämer. Es sei eine „sehr provokative Arbeit, die die Militarisierung der Welt infrage stellt“. Auch spreche das Werk die Rolle von Religion im Krieg an.
„Deus ex Machina“ ist eines von 150 Werken, die das Weltkulturerbe bis zum 10. November zeigt. Insgesamt 80 Künstlerinnen und Künstler aus 21 Ländern haben ihre Ausstellungsstücke wieder direkt vor Ort geschaffen. Die seit 2011 alle zwei Jahre stattfindende Werkschau präsentiert Kunst, die sich aus der Street Art und Graffiti entwickelt hat. Wie bei der vorherigen Ausgabe sind auch dieses Mal wieder Kunstwerke in der Völklinger Innenstadt und nicht nur in der alten Eisenhütte zu sehen. Kurator Krämer nimmt auch in diesem Jahr die Künstlerinnen und Künstler als „sehr politisch“ wahr.
Die aus Paris stammende „LOR-K“ hat zum Beispiel in einem 30 Kilometer-Radius um die Völklinger Hütte nach illegalen Abfällen gesucht – und sie gefunden. Diese Müllhaufen hat sie mit den passenden Marken und deren Logos zusammengebracht. Letztere hat sie sich über Werbeplakate organisiert. Dadurch sind für das Projekt „Images des marques“ (Markenbilder) Fotos entstanden, bei denen etwa das Logo der Drogeriekette dm über einem Haufen von Waschmittel-Plastikflaschen prangt oder das Michelin-Logo über Autoreifenresten. Sie wolle zeigen, dass nicht nur der Verbraucher, sondern auch die Industrie eine Verantwortung habe, erklärt „LOR-K“. Mittlerweile habe jemand die Logos entfernt, die Müllhaufen seien aber geblieben.
Um den Wert von Objekten und Müll geht es auch bei dem Werk „Marx“ von Baptiste Debombourg und David Marin. Sie präsentieren eine mit Blattgold verzierte Plastiktüte. Es handle sich um eine Hommage an das Ende von Plastik auf unserem Planeten, sagt Debombourg. So wie beim Rückgang der Eisenindustrie Plastik aufgestiegen sei, verschwinde nun Plastik, weil die Menschen mehr auf die Umwelt achten wollten.
Kritik an der Gesellschaft und an den politischen Zuständen äußert auch der britische Künstler Benjamin Irritant. Insgesamt rund 25 Hasen habe er in der Völklinger Hütte und der Stadt gemalt, erklärt er. Diese tragen Schilder, auf denen etwa auf Englisch „Du brauchst es nicht wirklich“, „Das System ist korrupt“ oder „Die Welt rettet sich nicht von allein“ steht.
Ein 70 Meter hoher Schornstein der Völklinger Hütte hat sich dank „The Wa“ wiederum in eine überdimensionale Zigarette verwandelt. Der Titel „Torches of Freedom“ nimmt Bezug auf eine Kampagne der Tabakindustrie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die das Rauchen als Akt der weiblichen Emanzipation vermarktete. Stattdessen seien sowohl der individuelle Rauch als aus der aus Industrieschornsteinen schlecht für die Gesundheit, betonen die Ausstellungsmacher.
In diesem Jahr liegt ein Fokus der Biennale auch auf Partizipation. So haben die Niederländer Krista Burger und Kenneth Letsoin für ihre Installation „Ganzfeld“ Besuchergruppen sowie Schülerinnen und Schüler malen lassen – insgesamt 1.000 Menschen waren beteiligt. Die Brennerhalle diente als Atelier, um auf Tuchbahnen auch Elemente eben dieses Raumes in bunten Farben zu verewigen. „Wir haben mit dem Raum gearbeitet“, sagt Burger.
Mit dem öffentlichen Raum und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern hat wiederum der „Club der Stadtwanderer“ rund um den französischen Künstler Mathieu Temblin gearbeitet. Von den Menschen in Völklingen haben sie unter anderem Geschichten gesammelt, um diese mit zentimetergroßen Zeichnungen auf Verteilerkästen oder Gebäuden zu verewigen oder als Audiogeschichten zugänglich zu machen. Zugriff auf eine Übersicht aller Künstlerinnen und Künstler sowie ihrer Werke erhalten die Besucherinnen und Besucher der „Urban Art Biennale“ über einen Mediaguide. Per QR-Code verlinkt dieser über das Smartphone alle Informationen sowie einen Lageplan.