Artikel teilen:

Schnelle Unterstützung

Wenn beim Partner oder einem Elternteil Demenz diagnostiziert wird, stehen die Angehörigen meist vor einem Berg von Fragen und Sorgen. Neue Onlinekurse sollen sie unterstützen, manche Krankenkassen kommen für die Kosten auf

Lothar Stein

Oft schlägt die Diagnose ein wie ein Blitz: Der Lebenspartner hat Demenz. Viele Angehörige sind in dieser Situation erst einmal komplett überfordert. Sie sind verzweifelt und machen sich Sorgen, wie sie den Betreuungsaufwand in Zukunft leisten können. In kurzer Zeit müssen sie sich in ein komplexes Feld einarbeiten: Welche Arzt- und Behördengänge stehen an, wen muss man informieren, wo bekommt man Unterstützung? Zahlt das die Kranken- oder Pflegekasse?

Vor allem für Menschen ohne Vorkenntnisse

Helfen können hier Onlinekurse im Internet, die speziell für Angehörige von Demenzkranken entwickelt worden sind. „Onlinekurse sind grundsätzlich eine gute Möglichkeit, kompakt und umfassend Wissen zu vermitteln“, sagte Helga Schneider-Schelte von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Berlin. Ihrer Erfahrung nach besteht bei Angehörigen ein sehr hoher Bedarf an unterstützenden Angeboten. So ein Kurs sei vor allem für Menschen geeignet, die mit diesem Problem neu konfrontiert seien und noch über keine Vorkenntnisse verfügten.
Etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz, jedes Jahr kommen rund 300 000 Neuerkrankungen hinzu. Für sogenannte eHealth-Unternehmen, die virtuelle Angebote im Gesundheitsbereich entwickeln, sind die Angehörigen von Demenzkranken aufgrund der stetig steigenden Zahl der Betroffenen eine attraktive Zielgruppe.
Das Berliner Unternehmen Töchter&Söhne hat nun in Zusammenarbeit mit der Hochschule Bremen einen interaktiven E-Learning-Kurs entwickelt. Der Online-Pflegekurs gibt in sechs Themenbereichen mit insgesamt 35 Modulen praktische Hilfestellungen für die Pflege Demenzerkrankter im Alltag. Er unterstützt die Pflegenden mit psychologischen Hinweisen und gibt Informationen in Bildern, Illustrationen und kurzen Videos.
Der Kurs wolle zum einen Hintergrundwissen vermitteln, etwa zum Vorsorge- und Betreuungsrecht, sagt Unternehmenssprecher Florian Caspari. „Aber es geht auch um ganz Praktisches, nämlich etwa das Leben und den Umgang mit Demenzerkrankten: Was tue ich bei aggressivem Verhalten? Wie gehe ich mit Unruhe und Bewegungsdrang um?“
Der Kurs habe drei zentrale Bausteine, erläutert Matthias Zündel, Professor für Gesundheits- und Pflegemanagement an der Hochschule Bremen: „Es geht um Information, Beratung und um emotionale Unterstützung.“ Für die Angehörigen sei es äußerst wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen: „Was ärgert mich? Was ist mir zu viel? Angehörige leisten total viel, oft mehr als einen Vollzeitjob.“
Natürlich könnten Angehörige auch einen realen Kurs vor Ort besuchen, gibt Florian Caspari zu. „Aber der Vorteil des Online-Kurses liegt in seiner unmittelbaren Verfügbarkeit. Oft hilft es nicht, wenn der Kurs erst ein paar Wochen später anfängt.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass man selbst entscheiden könne, wann man welches Thema behandele. „In einem realen Kurs kann es passieren, dass das Thema, das am meisten interessiert, erst nach Wochen drankommt.“
Für Florian Dismer von der Stiftung Patientenschutz in Dortmund haben Online-Kurse den Vorteil, dass sie „in den eigenen vier Wänden machbar sind“. Für pflegende Angehörige ist es oft schwierig, einen Kurs außer Haus zu besuchen. Und er glaubt auch nicht, dass sich das Medium Internet nicht für ältere Angehörige eignet: „Auch viele ältere Menschen haben mittlerweile etwa ein Smartphone“, sagt er.
Insgesamt neun Krankenkassen haben den Onlinekurs bereits in ihr Leistungsangebot aufgenommen, darunter die DAK, die BKK und die HKK. Mitglieder können sich mit Hilfe der Versicherungsnummer auf ihrer Karte unbürokratisch online für den Kurs anmelden und sofort loslegen (https://demenz-spezial.de). Wenn die Kasse, bei der man versichert ist, nicht zahlen will, muss man für die Kursgebühr von 99 Euro selbst aufkommen.

Schulung vor Ort bietet Erfahrungsaustausch

Kostenlos ist dagegen das neue E-Learning-Programm der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, an dessen Entwicklung Schneider-Schelte maßgeblich beteiligt war. Das einfach zu bedienende Programm wurde bereits wissenschaftlich evaluiert und von Testpersonen positiv bewertet. Es ist kostenlos auf der Webseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter www.wegweiser-demenz.de abrufbar.
Schneider-Schelte findet zwar Online-Kurse sinnvoll, zumal es gerade in ländlichen Gebieten oft wenig Beratungsangebote gebe. „Doch wenn möglich, würde ich jedem empfehlen, eine Schulung vor Ort zu besuchen“, ergänzt sie. Denn es gibt aus ihrer Sicht ein sehr wichtiges Argument für „Offline-Kurse“: Der Kontakt zu anderen Angehörigen von Erkrankten. „Wenn andere von ihren Erlebnissen erzählen, fühlen sich Angehörige oft sehr verstanden und nicht mehr so allein.“

Internet: www.wegweiser-demenz.de; www.demenz-spezial.de; www.deutsche-alzheimer.de.