Nach den verschärften Grenzkontrollen berät der Bundestag erstmals über weitere geplante Maßnahmen der Regierung in Sachen Asyl und Migration. Bundesinnenminister Dobrindt zeigt sich unbeirrt – trotz scharfer Kritik.
Die geplante teilweise Aussetzung des Familiennachzugs hat im Bundestag für eine teils emotional geführte Debatte gesorgt. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigte erneut seine Asyl- und Migrationspolitik. “Die illegale Migration, sie hat eine Grenze, und die Integrationsfähigkeit unseres Landes, sie ist erreicht – und deswegen müssen wir sie zurückdrängen, die illegale Migration”, sagte er am Freitag in der ersten Debatte über die Aussetzung des Familiennachzugs in bestimmten Fällen. Von Grünen und Linken kam scharfe Kritik.
Illegale Migration sei eine der großen Herausforderungen in der Europäischen Union, so Dobrindt. Man müsse sie national und europäisch gleichermaßen beantworten. Die Bundesregierung werde sich für die Umsetzung und Nachschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems einsetzen. Dazu gehörten auch Asylzentren an den Außengrenzen der EU.
Auf nationaler Ebene brauche es die Aussetzung des Familiennachzugs, so Dobrindt. Auch werde man unter anderem die sogenannte Turbo-Einbürgerung abschaffen, die Liste sogenannter sicherer Herkunftsstaaten erweitern und auch an den verschärften Grenzkontrollen festhalten. Die Lösung beim Zurückdrängen illegaler Migration liege in der Summe vieler Einzelmaßnahmen.
Der am Freitag erstmals beratene Gesetzentwurf von Union und SPD sieht vor, den Familiennachzug zu Menschen mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus zunächst für zwei Jahre aussetzen. Ausnahmen sind nur für Härtefälle geplant. Zudem soll die Begrenzung von Migration wieder als Ziel ins Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden. Verschärfte Grenzkontrollen hatte Dobrindt bereits Anfang Mai angeordnet. Weitere Verschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik sind geplant. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ist seit Jahren bereits auf bis zu 1.000 im Monat beschränkt.
Aus der Opposition kam scharfe Kritik an der geplanten teilweisen Aussetzung des Familiennachzugs. Dieser habe dramatische Folgen und bedeute menschliches Leid sowie die Verhinderung von Integration, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Schahina Gambir. “Familiennachzug ist kein Gnadenakt, er ist Voraussetzung für Teilhabe.” Der Schutz von Ehe und Familie gelte für alle. Sie erwarte von einer Partei, die sich christlich nenne, ein klares Bekenntnis zu Familien, und zwar zu jeder Familie.
Ihre Parteikollegin Filiz Polat zitierte sichtlich ergriffen den am Ostermontag gestorbenen Papst Franziskus, nach dem das Gegenteil von Liebe Gleichgültigkeit sei. Sie rief Union und SPD dazu auf, nicht gleichgültig gegenüber denen zu sein, die Ehepartner, Kinder oder Geschwister in Herkunfts- oder Nachbarstaaten zurücklassen mussten, weil der Fluchtweg zu gefährlich oder zu teuer sei. Die Pläne seien ein Angriff auf das Grundrecht auf Familie und würden gerade einen legalen Einreiseweg einschränken.
Clara Bünger (Linke) nannte das Vorhaben “antichristlich und familienfeindlich”. Deswegen zählten die Kirchen auch zu den schärfsten Kritikern. “Familien gehören zusammen.” Mit dem Gesetz würden jedoch weitere Familien auseinandergerissen und weitere Menschen auf gefährliche Fluchtrouten getrieben. Bünger forderte stattdessen, den Familiennachzug zu beschleunigen.
SPD-Abgeordnete zeigten sich in der Debatte hin- und hergerissen. Die Innenpolitikerin Rasha Nasr etwa wies ebenfalls auf die Rolle des Familiennachzugs hin: Er sei wesentlicher Baustein gelingender Integration. Zugleich müssten aber auch andere Faktoren bedacht werden wie Steuerbarkeit, Kapazitäten und gesellschaftliche Akzeptanz. Es gehe um eine Abwägung zwischen Humanität, Ordnung und Integrationsfähigkeit. Man müsse aber offen über Härten sprechen.